Re: Windfarm nach BImSchV ?


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Abgeschickt von D.Arndt am 19 Dezember, 2004 um 15:54:05:

Antwort auf: Windfarm nach BImSchV ? von W.Töllner am 19 Dezember, 2004 um 15:28:20:


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 9.03
OVG 1 A 11186/02
Verkündet am 30. Juni 2004

.......
Beklagte einen positiven Bauvorbescheid für die Windkraftanlagen WKA 1 und WKA 2 auf der Parzelle 41 in Flur 7 der Gemarkung W. zugunsten der Frau Inge J. erteilt. Entgegen den vom Berufungsgericht geäußerten Zweifeln ist die auf dieses Ziel gerichtete Klage allerdings zulässig.

Der Klägerin lässt sich die Prozessführungsbefugnis nicht absprechen. Nach § 265 Abs. 1 ZPO, der nach § 173 VwGO entsprechend auch im Verwaltungsrechtsstreit anwendbar ist, schließt die Rechtshängigkeit das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die im Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Veräußerung oder Abtretung auf den Prozess keinen Einfluss. Diese Regelung greift hier tatbestandlich ein. Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, für die Windkraftanlagen WKA 1 und WKA 2 ihr selbst einen Bauvorbescheid zu erteilen. Durch den Bauantrag hat sie nach § 54 LBauO die Rechtsstellung eines Bauherrn erworben, die nach § 55 Abs. 5 LBauO übertragbar ist. Einer zivilrechtlichen Abtretung vergleichbar handelt es sich bei einem Bauherrenwechsel um einen Fall der gewillkürten Rechtsnachfolge, die nichts an der Stellung der bisherigen Beteiligten ändert. Der alte Bauherr ist berechtigt, das Verfahren kraft Prozessstandschaft für den Rechtsnachfolger weiter zu betreiben. Allerdings hat er, um einer Klageabweisung vorzubeugen, seinen Antrag auf Leistung an den Nachfolger umzustellen. Diesem Erfordernis hat die Klägerin Rechnung getragen.

In dem umgestellten Antrag ist keine unzulässige Klageänderung zu sehen. Freilich wertet die Rechtsprechung einen gewillkürten Parteiwechsel als Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. August 1986 - BVerwG 7 C 51.84 - NVwZ 1987, 215 und vom 3. Juli 1987 - BVerwG 4 C 12.84 - NJW 1988, 1228). Von einem solchen Wechsel kann im Falle des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO aber keine Rede sein. Der Rechtsvorgänger prozessiert im eigenen Namen über das - inzwischen - fremde Recht weiter. Es handelt sich um eine gesetzlich angeordnete Form der Prozessstandschaft, die rechtlich ebenso wenig als Klageänderung zu qualifizieren ist wie die in § 264 ZPO geregelten Tatbestände (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1957 - II ZR 280/55 - BGHZ 26, 31).

Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage unbegründet ist.

Ein Bauvorbescheid kann nicht erteilt werden. Das Vorhaben, um dessen Verwirklichung es geht, ist baurechtlich nicht zulassungsfähig, da seine Zulassung nach Immissionsschutzrecht zu erfolgen hat.

Durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVURichtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1950) wurde die Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV - i.d.F. vom 14. März 1997 (BGBl I S. 504) geändert. Unter der Nummer 1.6 werden im Anhang dieser Verordnung nunmehr in Spalte 1 "Windfarmen mit sechs oder mehr Windkraftanlagen" sowie in Spalte 2 "Windfarmen mit drei bis weniger als sechs Windkraftanlagen" aufgeführt. Hierin spiegelt sich die normative Wertung wieder, dass Windkraftanlagen unter den in der Nummer 1.6 des Anhangs genannten Voraussetzungen Anlagen sind, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, weil ihre Errichtung und ihr Betrieb in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG). Das Genehmigungsverfahren regelt der Gesetzgeber in § 10 BImSchG.
Die Einzelheiten (z.B. die Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung) ergeben sich aus der Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV - i.d.F. vom 29. Mai 1992 (BGBl I S. 1001). § 19 BImSchG eröffnet die Möglichkeit, ein vereinfachtes Verfahren ohne förmliche Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen. Diese Unterscheidung greift der Verordnungsgeber in § 2 Abs. 1 der 4. BImSchV auf. Danach wird das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die in Spalte 1 des Anhangs genannt sind, nach § 10 BImSchG und für Anlagen, die in Spalte 2 des Anhangs aufgeführt sind, nach § 19 BImSchG durchgeführt. Eine Besonderheit gilt für Spalte 2 - Anlagen, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Für sie sieht der Verordnungsgeber ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG vor (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c der 4. BImSchV).

Zu Unrecht geht die Klägerin davon aus, dass die Bauvoranfrage, die den Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits bildet, von der Rechtsänderung, die der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 27. Juli 2001 vorgenommen hat, nicht berührt wird. Richtig ist, dass die immissionsschutzrechtliche Relevanzschwelle auch nach der Neuregelung bei drei Windenergieanlagen liegt. Hinter dieser Mindestzahl bleibt die Bauvoranfrage indes nur scheinbar zurück. Die Windkraftanlagen WKA 1 und WKA 2 können nicht isoliert betrachtet werden. Sie bilden zusammen mit den Windkraftanlagen WKA 3 und WKA 4 eine genehmigungsrechtlich unauflösbare Einheit.

Dies folgt freilich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV. Diese Bestimmung greift tatbestandlich nur dann ein, wenn mehrere Anlagen derselben Art, die in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, zusammen die maßgebenden "Leistungsgrenzen" oder "Anlagengrößen" erreichen oder überschreiten werden. Ob Windkraftanlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen oder nicht, macht der Normgeber aber nicht davon abhängig, dass diese Merkmale erfüllt sind. Er knüpft, anders als bei verschiedenen sonstigen Anlagen (vgl. aus einer Fülle von Beispielen Nr. 1.3: 100 kW bis 50 MW; Nr. 2.4: 50 t Branntkalk; Nr. 2.1: Steinbrüche mit einer Abbaufläche von 10 ha; Nr. 8.9: Gesamtlagerfläche von 15.000 m²), nicht an die Leistungsgrenze oder die Anlagengröße an. Er hebt nicht auf die kW- oder MW-Leistung der einzelnen Windkraftanlagen ab. Auch der Größe der Anlagen misst er keine rechtliche Bedeutung bei. Mit welcher Leistung und welcher Höhe in einem bestimmten Gebiet mehrere Anlagen errichtet werden sollen, ist für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit ebenso wie für die Zuordnung zum förmlichen oder vereinfachten Verfahren belanglos. In diesem Punkt unterscheidet sich die in der 4. BImSchV getroffene Regelung vom UVP-Recht, das in der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. September 2001 (BGBl I S. 2350) UVP-rechtliche Anforderungen an "Errichtung und Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Höhe von jeweils mehr als 35 m oder einer Leistung von jeweils mehr als 10 kW" stellt. In der Nr. 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV verwendet der Verordnungsgeber als Anknüpfungsmerkmal ausschließlich die Zahl der zu einer Windfarm zusammengefassten Windkraftanlagen. Bei einer Zusammenschau dieser Nummer mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV wird deutlich, dass ein Genehmigungstatbestand schon dann erfüllt sein kann, wenn die Zulassung von drei oder mehr Windkraftanlagen begehrt wird. § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV ist daneben nicht anwendbar. Ergibt sich die Genehmigungsbedürftigkeit bereits daraus, dass die im Anhang bestimmten Voraussetzungen vorliegen, so erübrigt sich ein Rückgriff auf diese Vorschrift. Die im angefochtenen Urteil hierzu aufgeworfenen Fragen stellen sich nicht. Nach der Nr. 1.6 des Anhangs kommt es nicht darauf an, ob die Windkraftanlagen auf ein und demselben Betriebsgelände liegen und mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind. Anders als im Regelungsbereich des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV ist auch der Betreiberfrage keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Eine Mehrzahl von Betreibern schließt eine Anwendung der Nr. 1.6 des Anhangs nicht aus. Die vom Berufungsgericht erörterte Strohmannproblematik ist unter diesem Blickwinkel irrrelevant.

Als genehmigungsbedürftige Anlagen werden in der Nr. 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV Windfarmen mit drei oder mehr Windkraftanlagen genannt. Den Ausgangspunkt bildet eine zahlenmäßige Betrachtung. Ob ein förmliches oder ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen ist, richtet sich unabhängig von der Zahl der Betreiber danach, ob drei bis fünf oder mehr Anlagen errichtet werden sollen. Nach dem gleichen Grundsatz ist zu verfahren, wenn die Zahl der Anlagen nach und nach erhöht wird. Außerhalb des Regimes des Immissionsschutzrechts können nach der Wertung des Verordnungsgebers zwei Windenergieanlagen errichtet werden. Tritt mindestens eine dritte hinzu, so wird hierdurch vorbehaltlich des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c der 4. BImSchV die Pflicht ausgelöst, in einem vereinfachten Verfahren i.S. des § 19 BImSchG eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung einzuholen. Wird durch eine Erweiterung die Zahl sechs erreicht oder überschritten, so ist ein förmliches Verfahren i.S. des § 10 BImSchG durchzuführen. Ein vergleichbares Regelungskonzept liegt § 1 Abs. 5 der 4. BImSchV zugrunde.

Die immissionsschutzrechtliche Relevanz hängt freilich davon ab, dass durch die gleichzeitige oder schrittweise Errichtung von drei oder mehr Windkraftanlagen eine "Windfarm" i.S. der Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV entsteht. Der Verordnungsgeber erläutert nicht, was er unter diesem Begriff versteht. Er greift auf eine Bezeichnung zurück, die dem EG-Recht entlehnt ist. Der Begriff der "Windfarm" taucht dort erstmals in der UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl EG Nr. L 73 S. 5) auf. Unter der Nr. 3 Buchst. i des Anhangs II zu dieser Richtlinie werden als Projekte, die nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 der UVPRichtlinie vom 27. Juni 1985 (ABl EG Nr. L 175 S. 40) einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, "Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung (Windfarmen)" genannt. Was eine "Windfarm" ausmacht, wird im EG-Recht nicht definiert. Der deutsche Gesetzgeber hat den Begriff zeitgleich ins UVP- und ins Immissionsschutzrecht übernommen. Parallel zur Ergänzung des Anhangs zur 4. BImSchV hat er in der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung auch die Liste der UVP-pflichtigen Vorhaben an die Erfordernisse des EG-Rechts angepasst. Nach der Nr. 1.6 sind die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Höhe von jeweils mehr als 35 m oder einer Leistung von jeweils mehr als 10 kW bei 20 oder mehr Windkraftanlagen obligatorisch UVPpflichtig sowie bei sechs bis weniger als 20 Windkraftanlagen einer allgemeinen und bei drei bis weniger als sechs Windkraftanlagen einer standortbezogenen Vorprüfung zu unterziehen. Aus dieser Regelung folgt, dass der deutsche Gesetzgeber ebenso wie im Bereich des Immissionsschutzrechts die Existenz einer Windfarm für denkbar hält, wenn mindestens drei Windkraftanlagen errichtet und betrieben werden. Mit der von ihm markierten Relevanzschwelle bringt er zum Ausdruck, dass bei Einzelanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit eine Genehmigung nach Immissionsschutzrecht nicht erforderlich ist. Das steht im Einklang mit den EGrechtlichen Vorgaben. Vom Wortsinn her kann von einer "Windfarm" nur die Rede sein, wenn mehrere Windkraftanlagen vorhanden sind. Der Richtliniengeber hat sich bei seiner Regelung von der Vorstellung leiten lassen, dass Einzelanlagen nicht geeignet sind, sich auf die in Art. 3 UVP-Richtlinie genannten Schutzgüter erheblich auszuwirken, obwohl auch sie das Landschaftsbild beeinträchtigen und Immissionen hervorrufen können. Nur die im Falle einer Massierung zu erwartenden negativen Umweltfolgen lösen einen Prüfungsbedarf aus. Der deutsche Gesetzgeber folgt diesem Regelungsmuster. Auch er unterscheidet zwischen Anlagen, die eine Windfarm bilden, und Einzelanlagen. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind sie so weit voneinander entfernt, dass sich die nach der UVP-Richtlinie maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Von einer Windfarm ist mithin erst dann auszugehen, wenn drei oder mehr Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet werden, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stehen die vier Windenergieanlagen, für die in der ursprünglichen Bauvoranfrage die Parzelle 41 als Standort angegeben war, in einem engen räumlichen Zusammenhang (UA S. 20). Danach bildet den Gegenstand der auf diesen Standort bezogenen Bauvoranfrage eine Windfarm mit vier Windkraftanlagen, die seit der Neuregelung durch das Gesetz vom 27. Juli 2001 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. Denn nach § 67 Abs. 4 BImSchG, der sich Geltung nicht bloß für den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, sondern auch für spätere Rechtsänderungen beilegt, war das im Jahre 1999 begonnene Verfahren nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsvorschriften unter Einschluss der 4. BImSchV zu Ende zu führen.

Für die Durchführung eines bauordnungsrechtlichen Verfahrens neben dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren war von Rechts wegen kein Raum mehr. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt unabhängig davon, ob sie im förmlichen oder vereinfachten Verfahren erteilt wird, die in § 13 BImSchG aufgeführten anderen die Anlage betreffenden behördlichen Entscheidungen ein. Dazu gehört nicht zuletzt die Baugenehmigung. Sind andere behördliche Entscheidungen von der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG erfasst, so ist die Prüfung, ob insoweit die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, der Genehmigungsbehörde vorbehalten. Wie aus § 6 Abs. 1 BImSchG erhellt, ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht bloß zu versagen, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Pflichten erfüllt werden, die sich aus § 5 BImSchG oder einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergeben. Ein Genehmigungshindernis besteht auch dann, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften unter Einschluss der Bestimmungen des Städtebau- und des Bauordnungsrechts der Errichtung oder dem Betrieb der Anlage entgegenstehen. Für ein Vorhaben, das der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegt, kann mangels Sachkompetenz der Bauordnungsbehörde eine Baugenehmigung nicht erteilt werden.

So liegen die Dinge auch hier. Eine abweichende Beurteilung ist nicht deshalb angebracht, weil die Klägerin keine Baugenehmigung, sondern nur einen Bauvorbescheid erstrebt. Der Exklusivitätsanspruch des Immissionsschutzrechts setzt sich auch gegenüber diesem Instrument des Bauordnungsrechts durch. Ebenso wie das Baurecht eröffnet das Immissionsschutzrecht die Möglichkeit, einzelne Genehmigungsvoraussetzungen vorab klären zu lassen. Nach § 9 Abs. 1 BImSchG kann ein Vorbescheid erteilt werden, der mit verbindlicher Wirkung einen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil einer etwaigen späteren Anlagengenehmigung vorwegnimmt. Freilich erklärt § 9 Abs. 3 BImSchG den § 13 BImSchG nicht ausdrücklich für anwendbar. Gleichwohl entfaltet auch der immissionsschutzrechtliche Vorbescheid Konzentrationswirkungen. Denn nach § 9 Abs. 3 BImSchG gilt jedenfalls § 6 BImSchG sinngemäß. Danach können auch im Vorbescheidsverfahren andere öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S. des Absatzes 1 Nr. 2 dieser Vorschrift den Gegenstand von Feststellungen bilden, die im Genehmigungsverfahren als verbindliche Vorgaben wirken. Das läuft der Sache nach auf eine Vorwegnahme der in § 13 BImSchG normierten Konzentrationsfolgen hinaus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 7 B 119.02 - DVBl 2003, 543). Dies entspricht offenbar auch der Sicht des Verordnungsgebers. Denn nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 der 9. BImSchV soll der Vorbescheid den Hinweis enthalten, dass er unbeschadet der behördlichen Entscheidungen ergeht, die nach § 13 BImSchG nicht von der Genehmigung eingeschlossen werden. Dies lässt sich nur so deuten, dass § 13 BImSchG nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers ansonsten nach Maßgabe seiner Reichweite auf Vorbescheide anwendbar ist.

Ohne Erfolg versucht die Klägerin dieser Konsequenz mit dem Argument auszuweichen, für das rechtliche Anforderungsprofil mache es keinen Unterschied, ob über ihren Antrag in einem bau- oder einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren entschieden werde. Es trifft nicht zu, dass es für die rechtliche Beurteilung nicht darauf ankommt, ob das Vorhaben einer bauordnungs- oder einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. Dahin stehen kann, ob mit der Klägerin davon auszugehen ist, dass in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für genehmigungsbedürftige Anlagen und in § 22 Abs. 1 BImSchG für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen ein und derselbe Schutzstandard normiert ist. Jedenfalls ist es aus UVP-rechtlicher Sicht nicht einerlei, ob die Zulassungsentscheidung in der Hand der Bauordnungs- oder der Immissionsschutzbehörde liegt. Welche Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, ergibt sich unter den in Art. 4 der UVP-Richtlinie genannten Voraussetzungen aus den Anhängen I und II. Nach der Nr. 3 Buchst. i des Anhangs II i.d.F. vom 3. März 1997 sind nur Windfarmen und nicht auch einzelne Windkraftanlagen geeignet, eine UVP-Pflicht auszulösen. Dieser Rechtslage hat der deutsche Gesetzgeber in der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG Rechnung getragen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG ein unselbständiger Teil des Verfahrens, das der Entscheidung über die Vorhabenzulässigkeit dient. Auf der Grundlage der in der Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV getroffenen Regelung findet sie bei Windfarmen nach Maßgabe der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren statt. Windkraftanlagen, die nicht zusammen mit anderen eine Windfarm bilden, sind UVP-rechtlich irrelevant.

Im Übrigen übersieht die Klägerin, dass die Frage, welches Zulassungsregime maßgeblich ist, unabhängig davon zu beantworten ist, ob Immissionsschutzrecht und UVP-Recht widerspruchslos miteinander verzahnt sind. Richtig ist, dass die UVPÄnderungsrichtlinie 97/11/EG vom 3. März 1997 nicht bloß als Anstoß dafür gedient hat, Windfarmen in den Katalog der in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführten Vorhaben aufzunehmen, sondern auch zum Anlass dafür genommen worden ist, den Anhang zur 4. BImSchV entsprechend zu ergänzen. Selbst wenn es bei dieser koordinierten Aktion nicht gelungen sein sollte, mit der vom Gesetzgeber gewählten immissionsschutzrechtlichen Lösung den UVP-rechtlichen Anforderungen vollauf gerecht zu werden, ändert dies nichts daran, dass die Zulässigkeit einer Windfarm allein in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen ist.

Hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung vom 27. Juli 2001 den Weg für eine positive Bescheidung der Bauvoranfrage zu den vier Windkraftanlagen auf der Parzelle 41 verbaut, so hätte die auf dieses Ziel gerichtete Klage insgesamt abgewiesen werden müssen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten gleichwohl verpflichtet, für die Windkraftanlagen WKA 3 und WKA 4 einen Bauvorbescheid zu erteilen. Diese Entscheidung verletzt Bundesrecht, ist aber rechtskräftig geworden. In diesem Punkt hat das Oberverwaltungsgericht die Revision nicht zugelassen. Die - auf andere Gesichtspunkte gestützte - Nichtzulassungsbeschwerde der beigeladenen Ortsgemeinde hat der Senat mit Beschluss vom 13. November 2003 - BVerwG 4 B 98.03 - verworfen.

Soweit die Klägerin nunmehr hilfsweise begehrt, den Beklagten zur Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zu verpflichten, ist ihre Klage unzulässig. Es handelt sich um einen neuen prozessualen Anspruch, der die Merkmale einer Klageänderung i.S. des § 91 VwGO erfüllt. Das ursprüngliche Rechtsschutzziel wird durch ein anderes ersetzt. Die Behauptung, einen Anspruch auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zu haben, ist nicht identisch mit der Behauptung, einen Bauvorbescheid beanspruchen zu können. Durch den Austausch des Klageanspruchs verändert sich der Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24; Beschluss vom 21. Mai 1999 - BVerwG 7 B 16.99 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 11). Von einer bloßen Klarstellung oder Berichtigung des ursprünglich gestellten Antrags kann keine Rede sein. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht hätte als konsequente Folge des von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkts den auf die Erteilung eines Bauvorbescheides gerichteten Antrag entsprechend umdeuten müssen. Eine solche "Umdeutung" kam nicht in Betracht. Das Oberverwaltungsgericht war nach § 88 VwGO an das Klagebegehren der Klägerin gebunden. Es war ihm verwehrt, anstelle der Verpflichtung, einen Bauvorbescheid zu erteilen, eine auf einen anderen Verwaltungsakt gerichtete Verpflichtung auszusprechen. Vielmehr hatte die Klägerin es in der Hand, durch eine Anpassung oder Erweiterung ihres Klageantrags der veränderten Rechtslage Rechnung zu tragen. Erklärungen, die in diese Richtung gehen, hat sie erst in der Revisionsinstanz abgegeben. In diesem Verfahrensstadium können neue prozessuale Ansprüche indes nicht mehr geltend gemacht werden. Denn nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Paetow Halama Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Dr. Paetow Gatz Dr. Jannasch

B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 142.500 Euro festgesetzt.
Dr. Paetow Halama Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Rojahn ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
Dr. Paetow
Gatz
Dr. Jannasch




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