Re: Einfluss von Sortimentsliste und Einzelhandels- und Zentrenkonzept auf Nutzungsänderungsantrag


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Abgeschickt von Martin Orth am 31 Juli, 2012 um 10:25:07

Antwort auf: Re: Einfluss von Sortimentsliste und Einzelhandels- und Zentrenkonzept auf Nutzungsänderungsantrag von Bauassessor am 31 Juli, 2012 um 09:01:59:

Hallo,

dann bleibt mir nur der Weg über ein Gutachten oder die Beeinflußung des politischen Willens durch Pressearbeit und über die in köln sehr einflußreichen Karnevalsvereine.

Ansonsten wird es dem Karnevalssortiment so wie den Spielwaren gehen. Die Geschäfte werden aus den Innenstädten verschwinden weil die Margen zu gering und die Mieten zu hoch sind. Desweiteren wird es keine größeren neuen Geschäfte geben. Vielleicht einige Kleine in den Bezirksteilzentren die dann nach zwei bis drei Jahren wieder verschwinden weil sie in Punkto Angebot und Preis nicht mit Deiters / Toys'R US und dem Internethandel standhalten konnten.

Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept läßt die betrieblichen und wirtschaftlichen Besonderheiten so mancher Branche ausser Acht. Das halte ich planerisch für sehr naiv.

Gruß

Martin

: Hallo,

: es gibt in NRW seit einigen Jahren eine Definition sogenannter Leitsortimente, die grundsätzlich als zentrenrelevant einzustufen sind. Diese Sortimente sind relativ grob - darunter fällt auch Bekleidung.

: Ich selbst wohne in Aachen und hatte einen ähnlichen Fall wie Sie zu betreuen. Ich kenne daher die Argumentation der Bezirksregierung Köln, die ich persönlich auch teile.

: Wenn Sie anfangen, bestimmte "Untergruppen" eines Sortiments aufgrund saisonaler oder brauchtumsspezifischer Besonderheiten als nicht-zentrenrelevant einzuordnen, wird das gesamte System der Steuerung über zuentrenrelevante Sortimente in Frage gestellt. Als Beispiel: Skier und entsprechende Winterbekleidung sind in der Regel saisonal sehr begrenzt - man könnte daher argumentieren, dass ein Wintersportfachmarkt großflächig auch außerhalb zentraler Versorgungsbereiche zulässig ist. Vergleichbares gilt für Bademode etc. Wenn man das zuließe, hätte man den Sportartikelbereich so diversifiziert, dass eine Vielzahl großflächiger Betriebe außerhalb eines ZVBs möglich wären und damit eine Gefahr für die Betriebe innerhalb der Zentren wären.

: Es gibt aber schon seit Jahrzehnten den politischen Willen, dass dieses Betriebe dort aus städtebaulichen Gründen hin sollen - die Umsetzung in den Kommunen wurde aber oft nicht entsprechend verfolgt.

: Sie führen lediglich betriebliche Gründe dafür auf, dass Sie nicht in einen Zentralen Versorgungsbereich können. Die spielen bei der Beurteilung aber keine Rolle.

: Falls Sie jetzt argumentieren wollen, dass es hier weniger um saisonale Mode, sondern um "Brauchtumspflege" geht... Was sollen dann die Karnevalsanbieter im Ruhrgebiet sagen, die meinen, eine riesige Marktlücke schließen zu wollen. Im Ruhrgebiet spielt Karneval eine unbedeutende Rolle (ich selbst bin gebürtiger Ruhrpottler).

: Das Sie es als ungerecht empfinden, dass es Bestandsbetriebe gibt, die die Vorteile nutzen, kann ich nachvollziehen. Das ist aber kein von der Landespolitik verfolgtes Ziel gewesen, dass diese Betriebe sich dort ansiedeln, sondern ist die Folge einer jahrelangen laxen bauleitplanerischen Steuerung der Kommunen.

:
: : Als Laie das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Köln argumentativ anzugreifen halte ich für etwas abenteuerlich. Immerhin waren an der Aufstellung des Konzepts garantiert mehr als nur eine handvoll Fachleute und Gutachter beteiligt. Ob Ihnen da Anwohner bei Ihrem Anliegen Recht geben ist dabei völlig unerheblich.

: : Letztlich ist es schlicht so, dass der Bauherr beweispflichtig dafür ist, dass sein Vorhaben nicht zu einer Schadigung im Sinne des §34 Abs. 3 BauGB führt (für ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich).
: : Falls die Schädigung nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen werden kann, werden Sie nicht darum herumkommen ein eigenes Marktgutachten zu beauftragen, um so Schädigungen auszuschliessen.

: : Der §11 Abs. 3 BauNVO kommt übrigens nur dann zur Anwendung, wenn das Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt (im Unterschied zum o.g. unbeplanten Innenbereich).

: :
: : : Hallo Bauassessor,

: : : Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Jetzt möchte ich etwas konkreter werden. Bei der Stadt handelt es sich um Köln.

: : : Die Einordnung von Karnevalskostümen unter den zentrenrelevanten Sortimenten widerspricht der wirtschaftlichen Realität und behindert die weitere Entwicklung dieses Fachmarktsegmentes in Köln.

: : : Ich werde denn Sachverhalt und dessen Auswirkungen etwas genauer dazulegen:

: : : Ein Betreiber eines ganzjährig geöffneten Karnevalsfachgeschäftes benötigt zur Darbietung seiner Kostüme, Schminke, Perücken und Accessoires ca. 800 m2 Verkaufsfläche damit er als Vollsortimenter wahrgenommen wird und sich wirtschaftlich erfolgreich am Markt bewähren kann. Will man seinen Kunden, eventuell auch Gruppen, Vereinen etc. eine entsprechende Größenauswahl an Kostümen anbieten, können es auch schnell mehr als 1500 m2 Verkaufsfläche werden.

: : : Karnevalsbekleidung wird in der Kölner Innenstadt und den Stadtteilzentren bis auf wenige Ausnahmen auf sog. Aktions- bzw. Sonderflächen mit Größen zwischen 50 – 400 m2 verkauft. Diese Flächen werden in der Zeit von Anfang Januar bis Karnevalssamstag betrieben. Vor und nach Karneval werden die gleichen Flächen zum Verkauf anderer Waren verwendet, da sich der Verkauf von Karnevalsartikeln außerhalb dieser Zeitspanne auf den sehr teuren Flächen (sehr hohe Miete) nicht lohnt. Auf diesen Flächen wird nur ein begrenztes Karnevalssortiment angeboten.

: : : Die großen Flächen der Karnevalsvollsortimenter befinden sich alle in Sonder- bzw. Gewerbegebieten und bieten ihren Kunden ausreichend Parkplätze. Dort sind die Mieten bzw. Immobilienpreise entsprechend günstig und der Betrieb eines ganzjährig geöffneten Karnevalsfachgeschäfts ist dort wirtschaftlich. Zweitniederlassungen in der Innenstadt können so subventioniert werden.

: : : Die Eingruppierung von Karnevalsbekleidung innerhalb der zentrenrelevanten Sortimente und die Anwendung des neuen Steuerungssystems führen dazu, dass Karnevalsvollsortimenter in Zukunft auf dem Kölner Stadtgebiet ausgeschlossen werden. In der Innenstadt bzw. den Stadtteilzentren sind keine einigermaßen attraktiven Verkaufsflächen in entsprechender Größe zu einem wirtschaftlich vertretbaren Mietzinns zu finden.

: : : Zusätzlich bedeutet die Umsetzung des neuen Steuerungssystems eine Wettbewerbsverzerrung , da die alten Geschäfte in den Gewerbegebieten Bestandsschutz haben und sich neue Geschäfte in der teuren Innenstadt ansiedeln müssen.

: : : Ich glaube nicht, dass es unter diesen restriktiven Bedingungen in Köln möglich ist, einen geeigneten Standort zu finden. Ich schlage deswegen vor, das Sortiment Karnevalsbekleidung ähnlich dem von Baumärkten, Gartencentern und Babymärkten zu behandeln.

: : : Für mich stellt sich jetzt die Frage ob die Argumentation nachvollziehbar ist und ob es überhaupt Sinn macht die Sortimentsliste anzugreifen.

: : : Einen habe ich noch:

: : : Nach dem Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Köln soll es sich bei dem von uns gewünschten Standort um einen Sonderstandort des großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels handeln. Siehe 1.1.3.4
: : : http://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf15/teil_b1_stadtbezirk_innenstadt.pdf
: : : Wäre dann nicht wieder § 11 Abs. 3 BauNVO im Spiel?

: : : Hinzukommt dass der Standort in unmittelbarer Nachbarschaft eines Bezirksteilzentrums liegt in dem sehr stark Karneval gefeiert wird. Würde man die Anwohner fragen würden Sie sich über ein Karnevalsgeschäft in Ihrer Nähe freuen, da Sie dann nicht mehr kurz vor Weiberfastnacht in die überfüllte Innenstadt müßten. Wir hätten ja sogar einen Lidl als Nachbar. Na der ist ja auch nicht zentrenrelevant sondern sichert die Nahversorgung. Warum keine Nahversorgung mit Karnevalskostümen zulassen? ;-)

: : : Viele Grüße

: : : Martin

: : : PS: Ein Nutzungsänderungsantrag dauert in Köln derzeit ca. 6 bis 8 Wochern bis er durch ist. Der Vermieter wird sich zweimal überlegen ob er den Antrag stellt und vielleicht doch versuchen schneller einen anderen Mieter zu finden.

: : :
: : : : Hallo,

: : : : die Frage, ob ein Sortiment zentren- oder nicht-zentrenrelevant ist, spielt in der Regel erst eine Rolle, wenn es sich um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb gem. § 11 Abs. 3 BauNVO handelt. D.h. in der Regel erst bei Vorhaben mit 1.200 qm Geschossfläche bzw. - laut Rechtssprechung - mit mind. 800 qm Verkaufsfläche.

: : : : In Ihrem Fall gilt allerdings der § 34 BauGB (Innenbereich). Hier sind solche Betriebe auch unterhalb der Großflächigkeit unzulässig, wenn sie schädliche Auswirkungen auf andere Zentrale Versorgungsbereiche in der selben Gemeinde oder in angrenzenden Gemeinden haben.

: : : : Da Karnevalskostüme als Bekleidung gelten (so die mir bekannte Interpretation der Bezirksregierung und der IHKn), muss also geprüft werden, ob durch Ihrer Realisierung der vorhandene Einzelhandelsbesatz an Karnevalsbetrieben innerhalb der zentralen Versorgungsbereiche gefährdet wird ODER eine Ansiedlung innerhalb eines Zentralen Versorgungsbereiches dadurch verhindert wird. Das bedeutet also, dass Sie ein entsprechendes Veträglichkeitsgutachten in Auftrag geben müssen in der Hoffnung, dass es auch von den beteiligten Behörden akzeptiert wird.

: : : : Einfacher wäre es daher für Sie, wenn das bestehende Gebiet als Mischgebiet mit einem Bebauungsplan überplant wird und dabei die Einzelhandelsnutzung nicht über das übliche Maß eines Mischgebietes hinaus eingeschränkt wird.

: : : : Alternativ können Sie versuchen, Ihren Nutzungsänderungsantrag zu stellen und zu hoffen, dass er nicht zurückgestellt wird, so lange das Einzelhandelskonzept der Stadt noch nicht genehmigt wurde.

: : : : Gruß,

: : : : Bauassessor

: : : :
: : : : : Hallo,

: : : : : ich beabsichtige in einer Stadt ein Karnevalsgeschäft mit 570 qm VK-Fläche zu eröffnen. Leider hat die Stadt Karnevalskostüme in ihrer Sortimentsliste als zentrenrelevantes Sortiment deffiniert.

: : : : : Jetzt habe ich einen Standort gefunden der laut Flächennutzungsplan mit M (gemischte Bauflächen) deffiniert ist. Es handelt sich um ein bestehendes Ladenlokal, welches bis vor kurzem als Tierfuttermarkt genutzt wurde.

: : : : : Für das Gebiet gibt es derzeit keinen Bebauungsplan.

: : : : : Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt geht gerade durch den Rat ist aber noch längst nicht beschlossen. In diesem Konzept hat die Stadt den von mir favorisierten Standort als "Sonderstandort des großflächigen, nicht zentrenrelevanten
: : : : : Einzelhandels" deffiniert.

: : : : : Macht es hier überhaupt Sinn einen Nutzungsänderungsantrag zu stellen, da die Stadt behaupten wird, dass die neue Nutzung als Karnevalsgeschäft im Bezug auf die Art der Nutzung gegen das Einfügungsgebot (weil Karnevalskostüme angeblich zu den zentrenrelevanten Sortimenten gehören) verstößt?

: : : : : Wer hat Tips, wer weiss Rat?

: : : : : Martin




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