Angemessener Erbbauzins / Vergleichswerte


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Abgeschickt von Thorsten W. am 03 April, 2013 um 19:09:57

Hallo!

Es gibt eine Firma, die in den Jahren 1993 bis 1995 in ganz Deutschland etliche große Grundstücke in Randgebieten von Großstädten gekauft, ein Erbbaurecht mit sich selbst bestellte und dann auf den Grundstücken Mehrfamilienhäuser mit jeweils 100-200 Wohnungen errichtet hat. Diese Wohungen wurden dann von Vermittlern an Privatanleger als "Altersvorsorge" verkauft. Eine angebliche Rundum-Sorglos-Immobilie, bei der ein (vom Verkäufer benannter) bevollmächtigter Treuhänder für die Käufer alles abwickelte.

Dieser nette Treuhänder zeichnete also quasi alles ab, auch überhöhte Darlehensverträge. Die Wohnungen selbst waren natürlich auch zu teuer, aber das nur ganz nebenbei.
Die Laufzeit der Erbbaurechtsverträge beträgt (kein Witz!) 198 Jahre!

Ich beziehe mich nun auf eines der Grundstücke als ganz konkretes Beispiel, die Zahlen sind echt!
Der Erbbauzins steht im Erbpachtvertrag als DM 5,30 pro Monat pro Wohnflächen-m², zuzüglich DM 28 pro Monat für den Stellplatz (der 12,5m² hat, was dann DM 2,24 pro m² wären).
Wer das Erbbaurecht kennt, weiß, daß es nicht auf "Wohnflächen-m²" abzielt, sondern such auf Grundstücks-m² bezieht. Und "Stellplatzpauschalen" gibt es im Erbbaurecht auch nicht.
Im Vertrag gibt es aber keinerlei Bezug zur Grundstücksfläche, es wird auch nirgends ein prozentualer "Zins" genannt, ein Grundstückswert ist ebenfalls nicht sichtbar, alles absolut intransparent. Scheinbar wurde der Erbbauzins absolut willkürlich festgelegt. Ob es nun Unwissenheit oder Kalkül dahinter steckten, ist heute nicht mehr zu klären.

Fakt ist: Für die Privatanleger war völlig undurchsichtig, wie hoch sich der Erbbauzins eigentlich wirklich darstellt. Eine Vergleichbarkeit war nicht gegeben. Es wurde den Anlegern einfach vorgerechnet, wie sich die Anlage langfristig rechnet, mit steigenden Mieteinnahmen usw. Die Erbpachterhöhungen nach Preisindex wurden nicht erwähnt und die meisten Verträge sahen die Anleger erst nachdem der Treuhänder sie schon abgezeichnet hatte. Es wurde einfach eine heile Welt dargestellt und es sah auch alles so professionell aus, daß man vertraute, so wie es mit Privatanlegern in der Vergangenheit gerne gemacht wurde.

Irgendwann gab es dann die erste Verwunderung, weil die Erbpacht doch schon einen Großteil der Miete verschluckte. Die ersten Klagen wurden eingereicht.
Insgesamt drei Gutachten zum Verkehrswert des Grundstückes gibt es, alle wurden für den Ermittlungszeitpunkt im Jahre 1994 berechnet. Zwei Parteigutachten kommen zu Werten von 450 DM und 475 DM pro m² und ein gerichtlich beauftragtes Gutachten stellt den Verkehrswert mit 504 DM fest. Die Unterschiede der drei Gutachten sind also marginal im Abweichungsbereich von +/- 5% um 475 DM herum.

Addiert man nun die von allen Wohnungseigentümern insgesamt zu entrichtende Erbpacht inkl. Stellplatz-Erbpacht und teilt diesen Betrag durch die Grundstücksfläche, dann kommt man auf DM 62,- pro Grundflächen-m² pro Jahr.
Das sind 12,3% von 504 DM (aus den drei Gutachten habe ich also den höchsten Verkehrswert angenommen).

Per heute (Jahr 2013) ist der Zins durch Index-Anpassungen bereits auf 17% angestiegen, aber wir wollen uns hier mal nicht damit beschäftigen, ob diese Anpassungen legitim sind oder nicht. Hier geht es darum, daß ein DM-Betrag ohne jede Berechnung in den Vertrag gemalt wurde, der nicht nachvollziehbar. Und heute wird langsam erkennbar, auf was man sich hier unbewusst eingelassen hat.

Der obere Gutachterausschuss sowie die Initiative Erbbaurecht bestätigen, daß im Jahre 1994 deutschlandweit die Erbbauzinsen "üblicherweise" 3,5 bis 4% des Grundstückswertes betragen. Es gibt natürlich den sozialen Wohnungsbau, wo auch weit niedrigere Sätze verlangt werden. Nach oben hin gibt es hingegen kaum Ausreißer, die über 5% gehen.

Sittenwidrig ist ein Zinssatz, wenn er den objektiv richtigen/angemessenen Zinssatz um das doppelte oder mehr überschreitet.

Von dieser Seite betrachtet wären die hier verlangten 12,3% also das dreifache der üblichen Wertes und damit regelrechter Wucher.

Das Gericht sieht das leider etwas anders. Es behauptet, daß der Erbbaurechtgeber damals bis zum Kapitalmarktzins von 7% hätte gehen dürfen. Damit würde die Sittenwidrigkeit erst beim Doppelten davon, also bei 14% beginnen.
Ehrlich gesagt halte ich das für Unfug. Erstens weil wir damals mangels Transparenz nicht mal den eigentlichen "Zinssatz" kannten und daher keinerlei Ahnung hatten, wie hoch der Zins prozentual überhaupt war. Der Erbbaurechtsgeber hat das geschickt verschleiert oder war einfach unwissend, um den Zins richtig zu berechnen. Zweitens würde kein einigermaßen intelligenter Mensch bei bekanntem 7%-igen Zins eine 198 jährige Bindung eingehen, die sich auch noch alle 6 Jahre um etwa 10% weiter erhöht. Da ist eine Finanzierung erheblich günstiger und vor allem ist dort auch ein Ende in Sicht.

Nunja, wie überzeugt man nun also das Gericht, daß 7% Hallo!

Es gibt eine Firma, die in den Jahren 1993 bis 1995 in ganz Deutschland etliche große Grundstücke in Randgebieten von Großstädten gekauft, ein Erbbaurecht mit sich selbst bestellte und dann auf den Grundstücken Mehrfamilienhäuser mit 100-200 Wohnungen errichtet hat. Die Wohungen wurden dann an Privatanleger als "Altersvorsorge" verkauft. Eine Rundum-Sorglos-Immobilie, bei der ein bevollmächtigter Treuhänder für die Käufer alles abwickelte.

Dieser nette Treuhänder zeichnete also quasi alles ab, auch überhöhte Darlehensverträge. Die Wohnungen selbst waren natürlich auch zu teuer, aber das nur ganz nebenbei.
Die Laufzeit der Ertbbaurechtsverträge beträgt (kein Witz!) 198 Jahre!

Ich beziehe mich nun auf eines der Grundstücke als ganz konkretes Beispiel, die Zahlen sind echt!
Der Erbbauzins steht im Erbpachtvertrag als DM 5,30 pro Monat pro Wohnflächen-m², zuzüglich DM 28 pro Monat für den Stellplatz (der 12,5m² hat, was dann DM 2,24 pro m² wären).
Wer das Erbbaurecht kennt, weiß, daß es nicht auf "Wohnflächen-m²" abzielt, sondern auf Grundstücksanteile. Und "Stellplatzpauschalen" gibt es im Erbbaurecht auch nicht.
Im Vertrag gibt es aber keinerlei Bezug zur Grundstücksfläche, es wird auch nirgends ein prozentualer "Zins" genannt, ein Grundstückswert ist ebenfalls nicht sichtbar. Scheinbar wurde der Erbbauzins als absolut willkürlich festgelegt und auch reichlich planlos. Oder es war böse absicht dahinter, um es möglichst intransparent für die Anleger zu halten.
Fakt ist: Für die Privatanleger war völlig undurchsichtig, wie hoch sich der Erbbauzins eigentlich wirklich darstellt. Eine Vergleichbarkeit war nicht gegeben.

Irgendwann gab es dann die erste Verwunderung, weil die Erbpacht doch schon einen Großteil der Miete schluckt. Die ersten Klagen wurden eingereicht.
Insgesamt drei Gutachten zum Verkehrswert des Grundstückes gibt es, alle wurden für den Ermittlungszeitpunkt im Jahre 1994 berechnet. Zwei Parteigutachten kommen zu einem Wert von 450 DM und 475 DM pro m² und ein gerichtlich beauftragtes Gutachten stellt den Verkehrswert mit 504 DM fest. Die Unterschiede der drei Gutachten sind also marginal im Abweichungsbereich von +/- 5% um 475 DM herum.

Addiert man nun die von allen Wohnungseigentümern insgesamt zu entrichtende Erbpacht inkll. Stellplatz-Erbpacht und teilt diesen Betrag durch die Grundstücksfläche, dann kommt man auf DM 62,- pro Grundflächen-m² pro Jahr.
Und das sind 12,3% von 504 DM (aus den drei Gutachten habe ich also den höchsten Verkehrswert angenommen).
Per heute (Jahr 2013) ist der Zins durch Index-Anpassungen bereits auf 17% angestiegen, aber wir wollen uns hier mal nicht damit beschäftigen, ob die Anpassungen legitim sind oder nicht, wenn die Basis schon nicht stimmt. In ein paar Jahrzehnten hat der Erbbauzins wahrscheinlich die Mieteinnahmen überstiegen, denn die Mieten steigen deutlich langsamer.

Der obere Gutachterausschuss des Landes NRW sowie die Initiative Erbbaurecht bestätigten, daß im Jahre 1994 deutschlandweit die Erbbauzinsen 3,5 bis 4% des Grundstückswertes betragen.

Sittenwidrig ist ein Zinssatz, wenn er den objektiv richtigen/angemessenen Zinssatz um das doppelte oder mehr überschreitet.
Von dieser Seite betrachtet wären die 12,3% also das dreifache und damit regelrechter Wucher.

Das Gericht sieht das leider etwas anders. Es behauptet, daß der Erbbaurechtgeber damals bis zum in 1994 gültigen Kapitalmarktzins von 7% hatte gehen dürfen. Damit würde die Sittenwidrigkeit erst beim Doppelten, also bei 14% beginnen.

Ehrlich gesagt halte ich das für Unfug. Erstens weil wir damals mangels Transparenz nicht mal den eigentlichen "Zinssatz" kannten und von daher keinerlei Ahnung hatten, wie hoch der Zins prozentual überhaupt war. Der Erbbaurechtsgeber hat den Käufern keinerlei Basis-Daten gegeben, mit denen man den berechneten Zins hätte vergleichen können. Es wurde geschickt verschleiert, in Erbzins pro Wohnfläche und Stellplatz dargestellt. Das konnte NIEMAND ohne Wertgutachten kontrollieren, selbst ein Experte nicht.
Natürlich kann man den Anlegern anlasten, nicht näher Zweitens würde kein einigermaßen intelligenter Mensch bei bekanntem Erbbauzins von 7% eine derartige 198 jährige Bindung eingehen, die sich auch noch alle 6 Jahre um etwa 10% weiter erhöht. Das widerspräche jeder Logik, eine Finanzierung wäre in jedem Fall günstiger.

Aber wie überzeugt man nun das Gericht, daß 7% absolut fern von einem "angemessenen üblichen Erbbauzins" sind, sondern bestenfalls ein "gerade so noch nicht sittenwidriges" Maximum sein könnte?

Es kommt gerne das Argument vom Gericht, daß ja Vergleichswerte fehlen. Man könnte also versuchen Vergleichsobjekte heranziehen. Möglichst sollten dies auch Erbbaurechtsgrundstücke im Geschosswohnungsbau mit vielen Parteien sein und die ebenso nach privatrechtlichen Kriterien vermietet werden (also kein sozialer Wohnungsbau).

"In Ermangelung von Vergleichsobjekten im betroffenen Gebiet" hat der BGH in einem Urteil argumentiert, man könne auch Vergleichsobjekte aus anderen Gebieten heranziehen. Es muss also nicht unbedingt - wie in meinem Fall - in Köln sein.
Achtung: Der Erbbaurechtsgeber hat auch Objekte mit gleichen Bedingungen in vielen anderen Städten. Man kann wohl sagen, daß es an die 1000 bis 1500 Wohnungseigentümer sind, die entweder bereits in Privatinsolvenz sind oder zum Hungerpreis die Wohnungen verkauft haben, oder einfach in dem Modell gefangen ist bis zum Zeitpunkt an dem die Gebäude nur noch Schrott sind und dann sicher der Heimfall eintritt. Denn 198 Jahre hält kein Mehrfamilienhaus und es ist eher unwahrscheinlich, daß 100-200 Eigentümer gemeinschaftlich einen Abriss und Neubau verabreden.

Haben die Forenmitglieder oder der Administrator eventuell Ideen hierzu?
Hat jemand einige konkrete Beispiele für Vergleichsobjekte? Je mehr desto besser und je besser dokumentiert, desto besser.
Ich benötige solche Vergleichspreise nicht als "Gutachten", sondern erstmal als Beweisstücke bzw Belege zur Sichtung durch das Gericht. Falls das Gericht dann diese vorgelegten Beispiele weiter überprüfen möchte, soll es selbst ein Gutachten in Auftrag geben, denn ein Parteigutachten hat meist wenig Wert.

Gruß,
Thorsten W.



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