Re: Innenbereich und Außenbereich sind nicht klar definiert


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.baurecht.de ]

Abgeschickt von bodo hermann in gruppe türkis architekten am 07 Mai, 2013 um 22:55:53:

Antwort auf: Innenbereich und Außenbereich sind nicht klar definiert von gerrko am 07 Mai, 2013 um 19:33:11:

hallo gerrko,
Der Innenbereich endet – unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen (BVerwGE 35,
256; BauR 1989, 60) und unabhängig von den Darstellungen des Flächennutzungsplans
(BVerwG ZfBR 2000, 426) – unmittelbar hinter der letzten Bebauung des im Zusammenhang
66 II. Bauplanungsrecht
bebauten Ortsteils (BVerwG BRS 28 Nr. 28; 63 Nr. 99; VGH Mannheim VBlBW 1993, 430;
1995, 432); er erstreckt sich noch auf die hinter dem Haus gelegene Hof- und Gartenfläche,
wo allerdings nur noch Nebenanlagen zulässig sind (BVerwG BauR 1989, 60; OVG Saarlouis
BauR 1989, 56; OVG Bautzen NVwZ-RR 2001, 426). Eine Fläche, die unmittelbar an das letzte
vorhandene Gebäude des Innenbereichs anschließt, zählt daher bereits zum Außenbereich
(BVerwG NVwZ-RR 1998, 156).
Eine Ausnahme gilt allerdings für den Fall, dass sich hinter dem letzten Gebäude eine
unbebaute Fläche anschließt, die ihrerseits deutlich durch natürliche Hindernisse, etwa eine
Böschung (VGH Mannheim BauR 1990, 576), einen Fluss (BVerwG BauR 2000, 1310) oder
eine Straße von der freien Landschaft abgegrenzt ist, sodass die freie Fläche im Anschluss an
den Bebauungszusammenhang noch als Teil des Innenbereichs erscheint; Voraussetzung ist
jedoch, dass es sich bei der Freifläche nur um einige wenige Grundstücke von der Größe
einer Baulücke handelt (BVerwGE 55, 369 = BauR 1978, 276; VGH Mannheim BRS 50
Nr. 71). Eine weitere Ausnahme stellt der Fall dar, dass die Fläche bebaut war und das neue
Bauvorhaben als Ersatz für das frühere Gebäude anzusehen ist; dabei muss allerdings ein
gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Untergang des alten Bauwerks und dem
Neubau bestehen (BVerwG BauR 1987, 52; 1988, 574; 2000, 1171; NVwZ 1999, 524). Ein
solcher zeitlicher Zusammenhang kann sogar nach zwölf Jahren noch gegeben sein, wenn die
Wiederbebauung sich wegen Verhandlungen mit der Gemeinde über die zukünftige bauliche
Nutzung des Grundstücks verzögert (BVerwGE 75, 34 = NVwZ 1987, 406).
Der Bebauungszusammenhang endet aber stets an der Gemeindegrenze, da – entsprechend
der Planungshoheit der Gemeinde – nur auf die Bebauung im jeweiligen Gemeindegebiet
abzustellen ist; die Bebauung der Nachbargemeinde bleibt unberücksichtigt (BVerwGE 27,
137; 28, 268; NVwZ 1999, 527; NVwZ-RR 2001, 83).
114 Um Zweifel an der Abgrenzung Innen-/Außenbereich zu beseitigen, kann die Gemeinde
gemäß § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB die Grenze für die im Zusammenhang bebauten
Ortsteile durch Satzung festlegen (s. dazu Hansen DVBl 1986, 1044; Dyong ZfBR 1982, 109).
Eine solche Abgrenzungs- bzw. Klarstellungssatzung hat nur deklaratorische Bedeutung
(BVerwG BauR 1990, 451; VGH Mannheim VBlBW 1993, 379; OVG Bautzen SächsVBl
2001, 15 und 79; Battis/Krautzberger/Löhr § 34 Rdnr. 64; Berliner Kommentar § 34 Rdnr.
61; a. A. VGH München BayVBl. 1993, 573; Jean d’Heur NVwZ 1995, 1174; Schink DVBl
1999, 367; s. dazu auch BVerwG NVwZ-RR 1995, 429 – offen gelassen), begründet also
nicht die Innen- bzw. Außenbereichsqualität eines Grundstücks. Dies folgt daraus, dass für
diese Satzung – anders als für die Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB –
keine (verfahrens)rechtlichen Anforderungen gelten und keine Festsetzungen getroffen werden
können (s. dazu § 34 Abs. 5 und 6 BauGB). Bei dem Erlass einer Satzung gemäß § 34 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 BauGB handelt es sich mithin um schlichte Rechtsanwendung der Gemeinde.

Unter den Begriff Bebauung fällt nicht jede bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr Bauwerke,
die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind.
Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht
geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu
prägen. Unberücksichtigt bleiben daher im Regelfall Baulichkeiten, die nicht für einen ständigen
Aufenthalt bestimmt sind, unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlich Zwecken (Scheune,
Stall), Freizeitzwecken (Gartenhaus, kleines Wochenendhaus) oder sonstigen Zwecken dienen
(BVerwG BauR 2000, 1310; NVwZ 2001, 70; BRS 64 Nr. 86; BauR 2002, 1825); ein Gebäude,
das nur zu bestimmten Jahreszeiten dem Aufenthalt von Menschen dient, kann aber für die
Umgebung prägend sein (BVerwG BauR 2002, 1827 – Sanitärgebäude eines Campingplatzes).
Unberücksichtigt bleiben ferner bauliche Anlagen, die optisch kaum in Erscheinung treten,
auch wenn sie bauliche Anlagen i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB sind (BVerwG NVwZ 1993, 985 –
Stellplatz; BauR 1993, 303 – befestigter Reitplatz; BauR 2000, 1171 – Tennisplatz; VGH
Mannheim VBlBW 1996, 381 – kleiner Schuppen; NVwZ-RR 2000, 481 – Bocciabahn). Ein
Sportplatz stellt auch dann keinen Bebauungszusammenhang her, wenn auf ihm einzelne
untergeordnete bauliche Nebenanlagen wie Kassenhäuschen oder Flutlichtmasten vorhanden
sind (BVerwG NVwZ 2001, 70).
Maßgeblich sind die tatsächlich vorhandenen Gebäude, auch wenn diese materiell-rechtswidrig
bzw. ungenehmigt sind, sofern sie die Bauaufsichtsbehörde mit ihrem Vorhandensein dauerhaft
abgefunden hat (BVerwG BRS 54 Nr. 65; 60 Nr. 82 = NVwZ-RR 1999, 364; OVG Münster
NVwZ-RR 1993, 400). Eine widerruflich oder befristet genehmigte Bebauung, bei der die
Bauaufsichtsbehörde stets zu erkennen gegeben hat, dass sie sie nicht auf Dauer genehmigen
oder auch nur dulden werde, ist nicht als vorhandene Bebauung zu berücksichtigen (BVerwG
NVwZ-RR 1999, 364). Ebenfalls nicht zu berücksichtigen sind zwar genehmigte, aber noch
nicht errichtete Gebäude (BVerwGE 35, 256; BauR 1993, 445; 2000, 1171) oder ein
Bebauungsplangebiet, das noch nicht bebaut ist; vorhandene Bebauung kann dagegen auch
die eines Bebauungsplangebiets sein (BVerwG NVwZ 2001, 70). Auch ein Gebäude, das
wegen Aufgabe seiner militärischen Nutzung seinen Bestandsschutz verloren hat, kann für
den Bebauungszusammenhang berücksichtigt werden (BVerwG NVwZ 2003, 211).




Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.baurecht.de ]