Re: Dispens


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Abgeschickt von Monika am 01 April, 2005 um 11:37:08:

Antwort auf: Dispensvertrag von Emine Ayyildiz am 01 April, 2005 um 09:53:05:

Das Vorgehen des Bauamtes ist in § 31 II BauGB geregelt. Ich würde die Einverständniserklärungen der Nachbarn zuerst in unwiderrufbarer Form sammeln und dann den letzten sturen Nachbarn notfalls durch eine Kompensationszahlung zur Zustimmung bewegen, weil es wohl hier anders nicht geht. Die Zahlung ist eigentlich ja auch gerechtfertigt, da die Anlieger dort ja Geld in den privaten Kanal investiert haben. evtl. sollten sie sich anwaltlich beraten lassen, aber vorher die Kosten mit dem Anwalt schriftlich regeln. Ein Baugrundstück kauft man ja nicht zehnmal im Leben, so dass man keinen Fehler riskieren sollte.
Hier eine kurze Info zu Dispensverträgen:
Die Ausnahmeregelung des § 31 Abs. 1 BauGB
Der § 31 Abs. 1 BauGB – eine „Kann“vorschrift – bestimmt: „Von den Festsetzungen eines Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.“
Über die praktische Anwendung der Regelung
Die Zulassung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB steht im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, wobei über die „Kann“vorschrift hinaus spezielle Ausnahmegründe vorliegen müssen, die der Antragsteller für seinen Ausnahmeantrag besonders darlegen muss.
Von dem Erfordernis der gesicherten Erschließung kann eine Befreiung nicht erteilt werden. So BVerwG, BRS 46 Nr. 106. Die Zulässigkeit einer Ausnahme von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist nur dann zulässig, wenn dies in seinem Textteil ausdrücklich vorgesehen ist. Ein Hinweis in der Begründung des Bebauungsplans (vgl. § 9 Abs. 8 BauGB) reicht hierzu allerdings nicht aus. Die Vorschrift des § 31 Abs. 1 BauGB richtet sich in erster Linie an die planende Gemeinde, in ihren Bebauungsplänen auch Ausnahmen zuzulassen und entsprechende Festsetzungen in den Text aufzunehmen. Eine Ausnahme im Bebauungsplan ist allerdings dann vorgesehen, wenn im Bebauungsplan ein bestimmtes Baugebiet nach den §§ 2 ff. BauNVO festgesetzt worden ist, sog. gesetzliche Ausnahmen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 BauNVO werden die Vorschriften der § 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans.
Die Baugenehmigungsbehörde ist nicht gezwungen, eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BBauG/BauGB zu bewilligen, wenn und nur weil die Gemeinde ihr Einvernehmen mit der Zulassung der Aufnahme erklärt hat. So BVerwG, BRS 39 Nr. 45. Bei der Zulassung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB handelt es sich um keine selbstständige Entscheidung, weil darüber bei der Erteilung der Bebauungsgenehmigung mitentschieden wird.
Die Befreiungsregelung des § 31 Abs. 2 BauGB
Der § 31 Abs. 2 BauGB bestimmt: „Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann im Einzelfall befreit werden, wenn
1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern
Die Gründe des Wohls der Allgemeinheit iSd. § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter den öffentlichen Belangen oder – insoweit gleichbedeutend – den öffentlichen Interessen (z.B. auch die Förderung sozialer oder kultureller Einrichtungen) zu verstehen ist. So BVerwG, BRS 33 Nr. 150.
§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB dient nicht auch den Interessen des privaten Bauherrn, sondern Gründen des Wohls der Allgemeinheit, wobei nur nachbarliche Interessen mit zu würdigen sind. So VGH Mannheim, BRS 49 Nr. 1749.
2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist
Die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB setzt voraus, dass ein atypischer Sachverhalt besteht. Ein atypischer Fall liegt jedenfalls nicht vor, wenn die Gründe, die für die Befreiung streiten, für jedes oder nahezu für jedes Grundstück im Planbereich gegeben sind. So BVerwGE, BRS 49 Nr. 175. Der Anwendungsfall von Befreiung aus städtebaulichen Gründen bedeutet, dass die Befreiung mit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinne von § 1 Abs. 5 und 6 BauGB vereinbar sein muss. Da nach dem Gesetzeswortlaut in allen Fallgestaltungen des § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung nur im „Einzelfall“ zulässig sein soll, ist Voraussetzung auch für die Anwendung des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, dass die Befreiung auf einzelne (wenige) sachlich
abgrenzbare Fälle in einem Plangebiet beschränkt bleiben muss und nicht generell oder für eine Vielzahl von Fällen zur Anwendung kommen darf. So VGH München, BRS 49 Nr. 172).
3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
Das Vorliegen einer unbeabsichtigten Härte iSd § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB setzt voraus, da der jeweilige Fall in bodenrechtlicher Beziehung Besonderheiten aufweist, die ihn im Verhältnis zu der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzung als Sonderfall erscheinen lassen (im Anschluß an BVerwGE 40, 268). So BVerwG, BRS 29 Nr. 126. Siehe ferner BVerwG, BRS 32 Nr. 146; BVerwG, BRS 33 Nr. 151.
Weitere Voraussetzung für die Erteilung der Befreiung ist, dass die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist (§ 31 Abs. 2 Halbsatz 2 BauGB).
§ 32 BauGB schränkt bei bebauten Flächen, die im Bebauungsplan als Baugrundstücke für den Gemeinbedarf oder als Verkehrs-, Versorgungs- oder Grünflächen (§ 9 Abs. 1 Nrn. 5, 11, 12, 15 BauGB) festgesetzt sind, die Erteilung von Befreiungen ein, wenn die auf ihnen befindlichen baulichen Anlagen wertsteigernd geändert, insbesondere erweitert werden sollen.
Dies soll eine Erhöhung der Entschädigung verhindern, die gezahlt werden muss, wenn das Grundstück seinem öffentlichen Zweck zugeführt wird. Ist die beabsichtigte Änderung der baulichen Anlage nicht wertsteigernd, oder ist das künftige Gemeinbedarfsgrundstück noch unbebaut, greift § 32 BauGB nicht.
Über die praktische Anwendung der Regelung
Im Gegensatz zur Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB handelt es sich bei der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB um ein echtes Abweichen von den Planvorstellungen der Gemeinde, die in den Festsetzungen des Bebauungsplans ihren Niederschlag finden. Sie ist deshalb auch nur dann zulässig, wenn es sich um einen atypischen Sonderfall handelt. Dieserhalb muss auch die Regelung des § 31 Abs. 2 BauGB als eine Spezialvorschrift angesehen werden, deren Anwendungsbereich auf Erteilung der Befreiung beschränkt ist. So BVerwG, BRS 49 Nr. 188.
Die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans setzt nicht voraus, dass der Bewerber einen ausdrücklichen, gerade hierauf zielenden Antrag gestellt hat. So BVerwG, BRS 50 Nr. 171.
Da es sich bei § 31 Abs. 2 BauGB um eine „Kann“vorschrift handelt, wird sie von der Rechtsprechung als Ermächtigung zu einer Ermessensentscheidung der Baugenehmigungsbehörde verstanden. Vgl. BVerwG, BRS 22 Nr. 115; BVerwGE 40, 268. Über die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB durch die Baugenehmigungsbehörde wird im Regelfall bei der Erteilung der Baugenehmigung mitentschieden.
Das Einvernehmen der Gemeinde
Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird die Zulässigkeit von Vorhaben gemäß § 31 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das ist entbehrlich, wenn Baugenehmigungsbehörde und Gemeinde identisch sind (BVerwGE 45, 207).
Anzumerken ist, dass es sich bei dem Herstellen des Einvernehmens mit der planenden Gemeinde um keinen Verwaltungsakt, sondern um einen verwaltungsinternen Vorgang handelt (BVerwGE 22, 342).
Richtig vorsichtig sollten Sie sein, wenn sie das Grundstück erst kaufen wollen. Es könnte sein, dass da erhebliche Probleme schlummern. Dann wären nämlich Rücktrittsklauseln etc. im Notarvertrag notwendig.



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