Re: Arbeitnehmerhaftung


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Abgeschickt von Gast am 28 Maerz, 2004 um 09:02:11:

Antwort auf: Kann man einen Gesellen bei Baumängeln in die Haftung nehmen. von Firma Machledt am 26 Maerz, 2004 um 10:30:13:

In 6 Monaten wäre das verjährt! Tja Pech gehabt! Was kann man da tun? Bei Vorsatz kriegt man vom Gesellen alles ersetzt, aber das kann man fast nie nachweisen. Hier kriegen Sie nur eine Quote von 50% ersetzt oder ähnlich weil das im Arbeitsrecht so gehandhabt wird. Das lohnt sich aber nur, wenn der Arbeitnehmer zahlungsfähig ist oder eine Haftpflichtversicherung für derartiges hat. Haben Sie dafür gesorgt, dass Ihre Arbeitnehmer derartig versichert sind?
Nicht den falschen Anwalt nehmen! Welche Stadt?

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Folgende Grundsätze gelten:

Haftung des Arbeitnehmers

Übersicht:

- Vertragliche Pflichtverletzung (§ 280 BGB) und Delikt (innerbetrieblicher Schadensausgleich, Verschuldensgrade, Mitverschulden des Arbeitgebers).

- Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten, Freistellungsanspruch.

- Fallgruppen (Kraftfahrer, Mankohaftung, Vertragsbruch).

- Haftung des Arbeitgebers gem. § 618 BGB und gem. § 670 BGB.

- Haftung der Unfallversicherung bei Personenschäden gem. §§ 104 ff. SGB VII (AG -> AN, AN -> AG, AN -> AN).



1. Nach welchen allgemeinen Anspruchsgrundlagen richtet sich die Haftung des Arbeitnehmers bei Schädigungen des Arbeitgebers?
http://bgb.jura.uni-hamburg.de
a) Vertrag
§§ 280, 611 BGB (Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages):

Arbeitsvertrag
Pflichtverletzung des AN
schuldhaft gem. § 276 BGB (keine Vermutung des Verschuldens: § 619a BGB)
Schaden des AG
RF: Schadensersatz
§ 280, 688 BGB (bei selbstständiger Verwahrung von Waren oder Geld des AG).
b) Delikt
§ 823 Abs. 1 BGB (Eigentumsverletzung, Körperverletzung);
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz (z. B. § 303 StGB: Sachbeschädigung, vorsätzlich; § 229 StGB: Fahrlässige Körperverletzung).

c) Schmerzensgeldanspruch aus Vertragsverletzung oder Delikt
§ 253 Abs. 2 BGB



2. Warum und inwiefern ist die Haftung des Arbeitnehmers begrenzt?
Die aus der Privatautonomie abgeleitete Haftung ist im Arbeitsverhältnis nicht anwendbar, weil der Arbeitnehmer nur eine begrenzte Privatautonomie besitzt:
Organisationsmacht des AG
Fremdbestimmter Umgang mit hohen Werten
Begrenzte Leistungsfähigkeit des AN: Schadensausgleich fraglich.

s. dazu vorzüglich:
Kohte, Arbeitnehmerhaftung und Arbeitgeberrisiko, 1981:
Grundsätze des Schadensrechts passen nicht:
Schadensausgleich

Prävention

Sanktion, Genugtuung, Strafe

Eingrenzungen werden durch großzügige Handhabung des

- Mitverschuldens gem. § 254 BGB und durch eine weitere

- Einwendung der Zurechnung der Betriebsgefahr zum AG (§ 254 BGB analog) vorgenommen:

Der AN soll nicht für leichte Fahrlässigkeit und nur quotenmäßig für mittlere Fahrlässigkeit haften (Beweislast für Grad des Verschuldens beim AG).

BAG 27.4.94 AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: Aufgabe des Merkmals "gefahrgeneigte Arbeit".
BAG 16.2.95 AP Nr. 106 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: Dreiteilung des Fahrlässigkeitsbegriffs wird aufrecht erhalten.
BAG 2.10.89 AP Nr. 97 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: evtl. auch Haftungsbegrenzung bei grober Fahrlässigkeit.
LAG Köln 17.6.93 LAGE § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 10: Obergrenze auch bei grober Fahrlässigkeit.

3. Nehmen Sie kritisch Stellung zu einzelnen derzeit angewandten Kriterien der Haftungseinschränkung und zu rechtspolitischen Forderungen:

a) dreigeteilter Fahrlässigkeitsbegriff

b) Mitverschulden des AG, Zurechnung des Betriebsrisikos

c) Obergrenze?

d) Verfristung?

a) dreigeteilter Fahrlässigkeitsbegriff
Die Unterteilung in leichte - mittlere - schwere Fahrlässigkeit kennt das BGB nicht. Sie führt zu großer Rechtsunsicherheit und macht Prozesse unkalkulierbar.

b) Mitverschulden des AG, Zurechnung des Betriebsrisikos
Als Organisationsverschulden ist dies der zentrale Aspekt der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung.

c) Obergrenze?
Rechtspolitisch wird eine Haftungsobergrenze von etwa 3 Monatsgehältern gefordert. Damit ist aber nur das Problem der mangelnden Leistungsfähigkeit des AN gelöst. Die Haftung wird aber vorwiegend im Kündigungsschutzprozess als Waffe des AG eingeführt (Widerklage). Insoweit taugt sie auch noch mit Haftungsobergrenze.

d) Verfristung?
Das beste Begrenzungsmittel ist wohl die Verfristung in einem Monat, weil dann die Haftung nicht mehr als Waffe gebraucht werden kann.

4. Warum ergibt sich aus dem Mitverschulden des Arbeitgebers im allgemeinen eine wichtige Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung?
Können Sie typische Fälle benennen?
Das Mitverschulden ist als direktes gem. § 254 BGB und als Zurechnung der Betriebsgefahr gem. § 254 BGB analog relevant. Beispiele vor allem für Organisationsfehler sind: zu lange Betriebszeiten, schlechte Arbeitsmittel, schlechte Arbeitsorganisation, unzureichende Anweisungen.
Beispiele:
- LKW mit schlechten Reifen.
- Zu lange Fahrtzeiten des LKW-Fahrers.
- Zu geringe Einweisung in die Tätigkeit.

5. Wie wirkt sich die Haftungsbegrenzung bei Schädigung Dritter aus?
Nach außen gibt es keine Haftungsbegrenzung (AGL: § 823 Abs. 1 BGB). Allerdings hat der AN gegenüber seinem AG einen Freistellungsanspruch (AGL: § 670 BGB analog). Im Falle der Insolvenz des AG nützt der allerdings nicht.
Leasing-Kfz - BGH 19.9.89 - VI ZR 349/88, BB 1989, 2252 = JuS 1990, 508: AN fuhr mit vom AG geleasten Auto (Teilkaskoversicherung), leicht fahrlässiger Unfall auf eisglatter Straße, Schaden von 8.000 DM. AG ging Konkurs. Leasingunternehmen verlangt vom AN Ersatz.

AGL: § 823 Abs. 1 BGB.
Keine Entlastung bei insolventem AG, außer bei
- Vertraglicher Haftungsbegrenzung und evtl.
- Ergänzender Vertragsauslegung. Bei Leasing nahe liegend, weil Leasinggeber weiß, dass nicht AG mit dem Auto fährt. Aber erg. Vertragsauslegung nur, wenn Leasinggeber sich zur Vollkaskoversicherung verpflichtet. Das fehlt hier.

Bei Personenschäden von Arbeitskollegen /Arbeitgeber tritt eine Haftungsbegrenzung gem. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ein (Übernahme von Schäden aus Arbeitsunfällen durch gesetzliche Unfallversicherung).
Ausnahme: Vorsatz, Wegeunfall (§ 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII).
Rechtsfolge: Ersatz des materiellen Schadens (also: Kein Schmerzensgeld).

Ungleich im Unglück:
AN fährt den AG, einen Kollegen und einen Dritten im Auto von der Firma zu einer Baustelle. Leicht fahrlässiger Unfall. Ansprüche der Beteiligten auf Schmerzensgeld? (Hanau/Adomeit, S. 203):

1. AG: § 253 Abs. 2 BGB wird verdrängt durch § 105 SGB VII.

2. Kollege: § 253 Abs. 2 BGB wird verdrängt durch §§ 105, 104 SGB VII.

3. Dritter: § 253 Abs. 2 BGB, durch Haftpflichtversicherung des Unternehmers als Kfz-Halter gedeckt.


Parkplatz - BAG 25.5.2000 EzA § 611 BGB Arbeitgerberhaftung Nr. 8: Kfz wird auf AG-Parkplatz durch Verschulden eines Unternehmers, der im Auftrag des AG dort fährt, beschädigt. Anspruch gegen AG?

AGL: 280, 278 BGB? Ist Unternehmer Erfüllungsgehife? BAG verneint.

AGL: § 670 BGB analog: Parken ist keine Tätigkeit für AG.
Kein Anspruch!???

6. Was versteht man unter Mankohaftung und wie kann das Risiko vertraglich verteilt werden?
Mankohaftung bedeutet, daß Arbeitnehmer, die über Kassenbestände zu wachen haben, das Risiko eines Fehlbestandes trifft.
AGL:
- Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages (§§ 280, 619a BGB);
- § 823 Abs. 1 BGB;
- § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 StGB;
- ferner bei eigenständigen wirtschaftlichen Entscheidungen: §§ 280, 675, 670 BGB; §§ 280, 688 BGB).
Neuerdings wird die Haftungsbegrenzung auch bei der Mankohaftung angewandt:

Der AG muß das Manko darlegen und beweisen und bei Anwendung des dreigeteilten Fahrlässigkeitsmaßstabs darlegen, daß der AN nicht leicht fahrlässig gehandelt hat. Bei mehreren Nutzern einer Kasse ist der Beweis praktisch nicht möglich.

Geldkassettte - BAG, 22.05.1997, 8 AZR 562/95, BB 1997, 2380:
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin einen Schaden in Höhe von 126.000 DM wegen einer verschwundenen Geldkassette zu ersetzen habe.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das sich gewerbsmäßig mit dem Transport von Geld- und Wertsachen beschäftigt. Der Beklagte war bei ihr seit März 1991 als nebenberuflicher Geldtransportfahrer zu einem monatlichen Arbeitsentgelt von 480,00 DM auf der Grundlage eines stündlichen Entgelts von 10,00 DM beschäftigt.
Am 17. Mai 1991 nahm der Beklagte im Rahmen seiner Tätigkeit u.a. eine Geldkassette mit der Bezeichnung R 2/05/91 der Filiale L der Vereins- und Westbank zum Transport in Empfang. Darüber erteilte er der Bank eine Quittung. Der weitere Geschehensablauf ist zwischen den Parteien streitig. Die Geldkassette ist aus ungeklärten Gründen verschwunden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe den mit der Kassette verschwundenen Geldbetrag von 126.000 DM zu ersetzen. Diesen Betrag habe sie der Vereins- und Westbank ausgleichen müssen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, er habe am 17. Mai 1991 die von der Vereins- und Westbank erhaltene Geldkassette zwischen 11.30 Uhr und 12.00 Uhr seinem Vorgesetzten, dem Einsatzleiter Brandt, vor der Zentrale der Vereins- und Westbank zum Weitertransport in die Zentrale der Klägerin übergeben. Es sei betriebsüblich, daß die Fahrer untereinander die Kassetten austauschten bzw. nur einem Fahrer zum Transport in die Geldzentrale übergäben. Dies sei stets ohne Quittung geschehen. Wie auch die Übergabe der Geldkassette an die Zentrale. Nur gegenüber Kunden sei der Empfang von Geldbehältern quittiert worden.
Vorinstanzen wiesen die Klage ab, BAG hob auf und verwies zurück.

BAG:
AGL: §§ 280, 688 BGB: AN hatte aber nicht allein Besitz.
AGL: § 280, 611, 619a BGB (früher: PVV): Verschuldensbeweis beim AG.
= Wenn die Kassette dem Vorgesetzten gegeben worden ist, dann kein relevantes Verschulden, da selbst bei Vertragswidrigkeit höchstens leichte Fahrlässigkeit.

= Wenn Zueignung: Vorsatz.

= Wenn abhanden gekommen, ist zu prüfen, unter welchen Umständen. Pflichtverletzung ist dann nahe liegend. Ebenso Verschulden (Fahrlässigkeit).

Problem: Überwachung durch "Probefallen" ? Eingriff in das Persönlichkeitsrecht? Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG?

Probefalle - BAG 18.11.99 - 2 AZR 743/98, BB 2000, 672: ANin wurde durch Probefallen auf ihre Ehrlichkeit geprüft (Geld wurde 3x in die Kasse gelegt, so dass zuviel drin sein musste. Sie führte den Überschuss nicht ab). Fristlose Kündigung wegen Verdachts der Unterschlagung von Firmengeldern. LAG wies Kündigungsschutzklage ab, BAG hob auf.
BAG:
"Richtig ist, daß der Beklagte insoweit die eventuelle Pflichtverletzung der Klägerin bis zu einem gewissen Grad mit verursacht hat, was ggf. im Rahmen einer Interessenabwägung von der Tatsacheninstanz zu berücksichtigen wäre. Die Revision spricht mit einigem Recht von einer Falle, die der Beklagte der Klägerin gestellt habe. Es wäre insofern der Klägerin zugute zu halten, daß sie möglicherweise einen von ihr angenommenen vermeintlichen Fehler zu Lasten eines Kunden durch Egalisierung der Kasse vertuschen wollte in der Annahme, damit nicht den Beklagten zu schädigen.

Wenn der Klägerin dies abgenommen werden könnte, was der Beurteilung der Tatsacheninstanz unterliegt, wäre ferner zu erörtern, ob nicht angesichts der besonderen "Verführungssituation" eine Abmahnung als gegenüber der außerordentlichen Kündigung mildere Maßnahme ausgereicht hätte (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - AP Nr. 137 zu § 626 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Auch könnte es von Bedeutung sein, ob und wie der Beklagte von vornherein sein Personal auf derartige Ehrlichkeitskontrollen hingewiesen hat. In diese Richtung zielt das Vorbringen des Beklagten in der Revisionserwiderung.

bb) Derartige Zuverlässigkeitstests können jedoch nicht von vornherein als rechtswidriger Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht angesehen werden, weil ein solches Persönlichkeitsrecht nicht schrankenlos gewährleistet wird. Kollidieren schützenswerte betriebliche Interessen des Arbeitgebers mit dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, so bedarf es einer Güter- und Interessenabwägung. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht bei Überwachung des Arbeitnehmers durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein können (BAG Urteile vom 8. Februar 1984 - 5 AZR 501/81 - BAGE 45, 111, 117 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu II 1 der Gründe und vom 4. April 1990 - 5 AZR 299/89 - AP Nr. 21, a.a.O. (zur Überprüfung der Personalausgaben einer Sparkasse durch Einsicht in die Personalakten von Sparkassenmitarbeitern); vgl. auch BGH Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - AP Nr. 25, a.a.O.).

Das Berufungsgericht ist hierzu davon ausgegangen, es sei ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer derartigen Ehrlichkeitsüberprüfung anzuerkennen: Zum einen habe der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf zuviel eingenommenes Wechselgeld bzw. auf Beträge, die aus Versehen zuwenig an die Kunden herausgegeben worden seien; zum anderen habe der Arbeitgeber keine reelle Chance, die Ehrlichkeit seiner Mitarbeiter hinsichtlich zuviel eingenommener Kassenbeträge festzustellen. Das dürfte jedenfalls - vorbehaltlich weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (siehe vorstehend) - im vorliegenden Fall gelten, in dem nach dem unwidersprochenen Sachvortrag des Beklagten in der Verkaufsstelle B. grundsätzlich nur eine Vollzeitkraft als Verkaufsstellenverwalterin und jeweils eine Teilzeitkraft tätig sind, wobei jeweils eine der Arbeitnehmerinnen die Aufgabe hat, die Kasse zu bedienen, während die andere Kraft anderen Aufgaben nachgeht. Deshalb besteht für den Beklagten ein nachvollziehbares Interesse daran, daß die in seiner Verkaufsstelle B. völlig selbständig beschäftigten Mitarbeiter die ihm zustehenden Gelder ordnungsgemäß in die Kasse legen und abrechnen."

Mankoabrede = Vertragliche Haftungsübernahme des AN (Verschuldensunabhängig und Beweislastumkehr).
Dann zulässig, wenn pauschaler Ausgleich gewährt wird, der dem Durchschnitt der Haftungssumme entspricht. Meist explizit nötig, bei regelmäßiger Zulage auch implizit möglich.
Sittenwidrig bei zu geringem Ausgleich und bei nicht alleiniger Verfügung des AN über Kasse, Warenlager etc.

Automaten-Saalservice - BAG 17.9.98 NZA 1999, 141 = JA 1999, 448 = JuS 1999, 926: Spielkasino. Kasse.
Im Automatenspielsaal, wo der Kläger tätig ist, gibt es zwei verglaste Kassenräume, die aneinander angrenzen. In ihnen wird jeweils in zwei Schichten (Früh- und Spätschicht) gearbeitet. In einer Schicht steht der Kläger fünf Stunden an der Kasse. Es ist jeweils ein Kassierer pro Kasse tätig. Sie versorgen die Gäste mit Münzen und wechseln Münzen wieder zurück. Dafür steht jeweils eine Geldausgabe und eine Rückwechselmaschine zur Verfügung. Auch Gewinne über DM 400,00 werden gegen Quittung ausbezahlt. Dabei ist jeweils ein herbeigerufener Mitarbeiter der Finanzaufsicht anwesend. Gewinne unter DM 400,00 schütten die Automaten aus.
Kl. hatte Fehlbeträge von 8 - 500 DM an einem Tag, im ganzen Jahr etwa 800 DM. Abmahnung und Aufrechnung mit Gehalt. Dagegen Klage auf Entfernung der Abmahnung und Auszahlung des einbehaltenen Gehalts.

BAG:
Gegenanspruch des Bekl. aus § 280 (früher: PVV)? Verschuldensnachweis gem. § 619a BGB vom AG nicht erbracht.
"Im vorliegenden Fall hat die Beklagte keine Indizien vorgetragen, die den Schluß auf eine zumindest mittlere Fahrlässigkeit des Klägers zulassen. Wie sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht richtig herausgestellt haben, ist in Anbetracht der dem Kläger gestellten Arbeitsaufgabe nicht anzunehmen, daß die streitgegenständlichen Fehlbeträge bei Anspannung verkehrsüblicher Sorgfalt nicht entstanden wären. Angesichts der großen Zahl anfallender Geldwechselvorgänge mit kleinen Stückelungen der auszugebenden oder einzunehmenden Münzen sind Fehlleistungen nicht auszuschließen, die der leichten Fahrlässigkeit zuzurechnen sind. Wird von dem von der Beklagten vorgetragenen Geldumsatz ausgegangen, liegt der geltend gemachte Fehlbetrag im Bereich von 0,003% der im jeweiligen Zeitraum umgesetzten Beträge. Aus ihm kann also nicht auf eine Fahrlässigkeit geschlossen werden, die über eine leichte hinausginge."
Kläger hat nicht selbstständig über das Geld verfügen können, so dass nicht etwa Verletzung von Verwahrungspflichten in Betracht kommt.

Fallgruppen:

Kassenfehlbeträge,
Fehlbestände in Warenlagern,
Verlust von Waren auf dem Transport.


Formular aus Personal Office: Mankoabrede

1. Der Arbeitnehmer übernimmt den Warenbestand unserer Filiale in ..... nach einer in seiner Gegenwart durchgeführten Bestandsaufnahme. Diese ist für beide Seiten verbindlich (Anm. 1).

2. Dem Arbeitnehmer werden für Schwund und sonstige zu vermeidende Verluste ..... % des Warenbestands gutgeschrieben. Im Übrigen haftet er für jedes Manko, sofern er nicht beweist, dass das Manko auch bei Anwendung größter Sorgfalt nicht zu vermeiden war. Dies gilt auch, sofern das Manko durch Verschulden anderer Arbeitnehmer in der Filiale entstanden ist.

Etwaige Mankobeträge werden dem Arbeitnehmer zum Wareneinkaufspreis in Rechnung gestellt.

3. Der Arbeitgeber ist berechtigt, jederzeit eine Bestandsaufnahme durchzuführen.

4. Zum Ausgleich für die Übernahme der Mankohaftung zahlt der Arbeitgeber eine monatliche Fehlgeldentschädigung von ..... DM (Anm. 2).


7. Haftet eine Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber für den Schaden, den der AG dadurch erlitten hat, dass er das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt hat, obwohl der Kündigungsverbotsgrund weggefallen ist?
BAG 18.1.2000 - 9 AZR 932/98, BB 2000, 2206: Schwangere teilte AG nicht mit, dass die Schwangerschaft wegen einer Fehlgeburt beendet war:
1. Anspruch auf Entgelt während der befreiten Zeit?
2. Schadensersatzanspruch des AG, weil er dann schon früher gekündigt hätte?


BAG:
zu 1: Mitteilungspflicht. Annahmeverzug vorzeitig beendet?
zu 2: BAG nimmt zwar Pflichtverletzung an, verneint aber Schaden, da Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses kein wirtschaftlicher Schaden sei.
(so schon bei Entgeltzahlung für Kur: BAG 27.3.91 - 5 AZR 58/90, BB 1991, 1419). Dann bleibt unterlassene Mitteilung sanktionslos?! Vom BAG explizit so gesehen.




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