Re: (Bayern) Stadt hebt Bestandsschutz auf - rechtens?


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Abgeschickt von Dirk Baumeister am 31 Oktober, 2009 um 08:43:33

Antwort auf: (Bayern) Stadt hebt Bestandsschutz auf - rechtens? von Herrmann am 30 Oktober, 2009 um 18:25:51:

Bestandsschutz erlischt, wenn die geplanten oder durchgeführten Maßnahmen einer Neuerrichtung gleich kommen ... und dann trifft das Objekt, das Grundstück, den Bauherrn und die Planer die ganze Härte der aktuellen Gesetzeslage. Sowas recherchiert der gute Planer normalerweise vorher, denn daraus bestimmt sich erst die Vorgehensweise und welche Maßnahmen überhaupt Sinn machen.

Bestandschutz gibt es eben nur für BESTAND, also rechtmäßig auf einer ehemaligen Rechtsgrundlage beruhenden errichtete bauliche Anlagen, nicht für ein in wesentlichen Teilen geändertes Objekt. Bestandsschutz wird auch nicht aufgehoben sondern erlischt.


: Mal angenommen, man kauft in der Altstadt ein Haus. Im EG ist ein kleiner 25qm Laden, OG und ausgebautes Dach bewohnt man selbst. Ein "Wohn- und Geschäftshaus" eben.

: Das Haus genießt zum Kaufzeitpunkt Bestandsschutz.

: Das Haus ist an einer Seite direkt an ein Nachbarhaus angebaut, an der anderen steht es an einer Einfahrt, aber dort genau auf der Grenze. Zum dortigen Nachbarhaus sind es grade mal 3 Meter, so breit eben, wie die Einfahrt ist. Typische Siutation einer engen Bauweise in einer Altstadt.

: Nun kommt man als Besitzer auf die Idee, dass man im Haus das Treppenhaus (das zur eigenen Wohnung gehört und nicht zum Laden) entfernt und an einer anderen Stelle neu aufbaut, um die Raumaufteilung zu optimieren. Vorher bestellt man einen Statiker, der einem sagt: Ok, das geht, die Statik des Hauses ist durch den Eingriff nicht beeinträchtigt.

: Weiter weiß man und hat sich ebenfalls erkundigt, dass EG-Decke und OG-Decke durchgespannt sind und freitragend. Daher kann man einige Wände - da ja nicht-tragend - entfernen, um Räume zu vergrößern. Zusätzlich macht man in beide Decken die nötigen 2 Treppenlöcher und stützt das Ganze auch noch mit mehreren Stahlträgern zur Sicherheit ab, so wie es der Statiker vorschreibt.

: Da man sein Häuschen schön haben will, auch von außen, beantragt man nun neue Fenster bei der Stadt, reicht Pläne ein und der Herr von der Stadt kommt, um das vor Ort mal anzusehen und zu prüfen mit den Fenstern. Weil das Haus ja im sog. "Sanierungsgebiet Altstadt" steht.

: BUMMS!
: Der Herr ist außer sich, als er die Räumlichkeiten betritt, da sich das Haus innen ja im Bau befindet: Keine Treppe mehr da, 2 Löcher in der Decke, Wände vom alten schimmeligen Putz befreit, Wände fehlen, neue sind eingezogen etc. etc. Dreck, Schmutz, Chaos - Umbau eben - eigentlich eine Sanierung. Alle Stromleitungen werden ersetzt, ein Großteil der Heizungs- und Wasser-Installation und alles ist im Bau....

: Der Herr verordnet sofortigen Baustopp.

: Ok, damit kann man leben, man hätte vielleciht vorher doch einen Antrag stellen sollen, gut, den reicht man nach.

: Doch weit gefehlt!
: Nun trifft den reuigen Besitzer die volle Breitseite aller bis zu diesem Zeitpunkt angelaufenen neuen und aktualisierten Verordnungen, was Brandschutz (wegen natürlich fehlender und unzureichender Abstandsflächen, siehe 1. Absatz), Schall- Wärmeschutz usw. usw.

: Die Stadt hebt den bis dahin geltenden Bestandsschutz mit sofortiger Wirkung auf. Briefe, Telefonate hin und her.

: Was bedeutet und von der Stadt nun verlangt wird:

: Ersetzen der meisten seit 40 Jahren bestehenden Fenster durch einerseits G30-Brandschutzfenster (zum öffnen), in besonders gefährdeten Bereichen durch F90-Festverglasung (nicht zu öffnen). Betrifft rund 7 bis 8 Fenster und eine Türe.

: Die bestehende Haustüre ist zuzumauern bzw. durch eine F90-Brandschutztür zu ersetzen, da das Nachbarhaus zu nah ist (Über-Eck-Bebaung)

: Auf dem Dach ist zum Nachbarn hin eine Brandschutzwand zu errichten, die das Haus des Besitzers mit Gebäudeklasse 2 gegen das Nachbarhaus mit Gebäudeklasse 4 absichert. Also keine einfache, lapidare Brandwand, sondern schon die ganze Packung.

: Fluchtwege müssen neu geschaffen werden, da der bisherige Zugang zur Haustür des Hauses durch das Nachbargebäude läuft und damit nucht zulässig ist. Um einen neuen Fluchtweg zu schaffen, kündigt der Besitzer leider dem Ladenmieter, da durch seinen Raum nun der Fluchtweg gebaut werden muss und die Ladenfläche somit zu klein zum Vermieten würde.

: So, genug erzählt.

: Die Frage am Ende lautet wie folgt:

: Erfolgte durch den Ausbau der alten Treppe und das Ausfräsen neuer Treppenöffnungen ein solcher Eingriff in die Statik des Hauses, dass allein dadurch der Bestandsschutz entfallen ist? So begründet in unserer Geschichte die Stadt sämtlich Maßnahmen, die vom Besitzer nun umzusetzen sind. Selbst wenn ein geprüfter Statiker schriftlich mit einem Gutachten bestätigt hat, dass die Statik NICHT verletzt wurde und wird?

: Kann dennoch ein Bestandschutz komplett entfallen?

: Hm, wir sind gespannt, wie unsere kleine Geschichte ausgeht und wieviel ungeplante Kosten nun auf den armen Besitzer des imaginären Hauses zukommen...




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