Re: alter Schuppen plötzlich ein Problem? Bestandsrecht?


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Abgeschickt von Löchner, G. am 13 Februar, 2005 um 19:16:33:

Antwort auf: alter Schuppen plötzlich ein Problem? Bestandsrecht? von Hönemann am 08 Februar, 2005 um 20:43:00:

„Verwirkung“ der bauaufsichtlichen Befugnisse; Teilabriss?

Gelegentlich wird
geltend gemacht, die den Gegenstand einer Bauordnungsverfügung bildende Baulichkeit sei
schon mehr als 30 Jahre alt, und deshalb sei das Recht der Bauaufsichtsbehörde auf Einschreiten
„verjährt“; jedenfalls habe die Behörde ihr Recht „verwirkt“. Schließlich sei es
ermessensfehlerhaft, „nach Jahr und Tag“ eine Ordnungsverfügung zu erlassen. Die ersten beiden
Einwände verkennen bereits das Wesen der bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse: Es geht nicht
um die Geltendmachung eines Rechts der Behörde im Sinne eines Anspruchs, welcher der
Verjährung oder der Verwirkung unterliegen könnte. Vielmehr ist es die Pflicht der Behörde, im
öffentlichen Interesse die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu überwachen.
Diese Pflicht endet indessen auch in Bezug auf ein einzelnes Objekt, das dem öffentlichen Recht
widerspricht, nicht nach Ablauf einer mehr oder weniger langen Zeitspanne, sondern sie
aktualisiert sich jeden Tag aufs Neue durch die gesetzliche Normierung. Auch auf der
Ermessensebene ist die Zeit, die zwischen der Errichtung eines illegalen Vorhabens und den
bauaufsichtlichen Maßnahmen, die nunmehr getroffen werden sollen, verstrichen ist, in aller
Regel unerheblich. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn die Behörde sich selbst Ermessensrichtlinien
gegeben hat; an diese ist sie gebunden und darf von ihnen nur abweichen, wenn und
soweit die Umstände des Falles Besonderheiten aufweisen:
Beispiel: Eine Behörde hat intern entschieden, in ihrem Zuständigkeitsbezirk illegale Anlagen im
Außenbereich nicht aufzugreifen, sofern diese vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes
errichtet worden sind und seither in gleich bleibender Weise genutzt werden. Die Behörde kann
ohne Ermessensfehler und ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz die Beseitigung einer vor
1960 errichteten Baulichkeit nicht verlangen, wenn diese seit ihrer Errichtung unverändert
genutzt wird. Wird allerdings eine Nutzungsänderung vorgenommen oder wird die Anlage nicht
nur unwesentlich baulich geändert, liegt ein von der Ermessensrichtlinie nicht erfasster
Sachverhalt vor; die Behörde ist befugt, ihre bauaufsichtlichen Mittel einzusetzen.
Bei der Ausübung des Auswahlermessens hat die Behörde insbesondere zu berücksichtigen,
dass (bau)ordnungsrechtliche Maßnahmen geeignet, erforderlich und (im engeren Sinne)
verhältnismäßig sein müssen. In diesem Zusammenhang stellt sich gelegentlich die Frage, ob es
erforderlich bzw. verhältnismäßig ist, einem Bauherrn den Totalabriss seiner formell und
materiell illegalen Baulichkeit aufzugeben, obwohl auch durch einen Teilabriss dem materiellen
Baurecht genügt werden könnte.
Beispiele: Eine an der Grundstücksgrenze an sich zulässige Garage überschreitet die nach
Landesrecht maßgebliche Höhenbeschränkung um wenige Zentimeter. Ein Wohnhaus steht
lediglich mit einem Anbau außerhalb der nach dem einschlägigen Bebauungsplan bebaubaren
Fläche.
Nach der zutreffenden Ansicht des OVG Münster (BRS 59 Nr. 209 m. w. N. aus der
ständigen Rechtsprechung des Gerichts) ist es nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen,
ob statt der Beseitigung auch ein Teilabriss bzw. ein „Rückbau“ geeignet sind, materiell
baurechtmäßige Zustände herbeizuführen. Bauliche Anlagen sind zumeist unteilbare Einheiten,
die weder gedanklich noch technisch in einen „legalen“ und einen „illegalen“ Teil aufgespaltet
werden können. In den Beispielsfällen verstößt das jeweilige Objekt insgesamt und nicht etwa
nur mit der Grenzwand oder dem Anbau gegen das materielle Baurecht, sodass seine
Beseitigung angeordnet werden kann. Der Bauherr erfährt hierdurch keine unverhältnismäßigen
Nachteile, weil es ihm unbenommen ist, ein sog. Austauschmittel (vgl. z. B. § 21 OBG NRW)
anzubieten, das geeignet ist, den Baurechtsverstoß auf andere Weise auszuräumen. Will er die
vorhandene Bausubstanz soweit wie möglich erhalten, mag er einen „Rückbau“ vornehmen.
Hierzu benötigt er jedoch eine Baugenehmigung, die er bei der Bauaufsichtsbehörde zu
beantragen hat. Die Behörde kann also unschwer feststellen, ob das nach den Vorstellungen des
Bauherrn geänderte Objekt tatsächlich dem materiellen Baurecht entspricht und als
Austauschmittel anerkannt werden kann.
Hinweis: Ordnet die Behörde den Abriss eines materiell rechtswidrigen Gebäudes an und hat sie
erkannt, dass auch ein Rückbau ohne weiteres geeignet ist, baurechtmäßige Verhältnisse
herzustellen, ist es zweckmäßig, dem Bauherrn am Rande der Begründung der
Abbruchverfügung die Möglichkeit eines Mittelaustauschs zu erläutern. Unter Umständen sieht
der Bauherr dann davon ab, einen unbegründeten und nur auf die vermeintliche
Unverhältnismäßigkeit des Totalabrisses gestützten Widerspruch gegen die Verfügung zu
erheben.



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