Re: Haus Zuwegung Baulast Dienstbarkeit


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Abgeschickt von -webifant- am 28 November, 2012 um 14:06:28:

Antwort auf: Re: Haus Zuwegung Baulast Dienstbarkeit von Bauamt am 28 November, 2012 um 03:12:08:

Hallo mondzicke,

das ist etwas kompliziert zu erklären.

Zwischen der gesicherten Erschließung des Bauplanungsrechts und der ausreichenden Zugänglichkeit des Bauordnungsrechts besteht ein sachlicher Zusammenhang; die Begriffe sind aber nicht gleichzusetzen (BVerwG, U. v. 03.05.1988 -
4 C 54/85 - NVwZ 1989, S. 353).

Das bundesrechtliche Erfordernis einer gesicherten Erschließung in § 30 Abs. 1 BauGB
soll eine geordnete städtebauliche Entwicklung sicherstellen. Es verlangt, dass das
Baugrundstück verkehrsmäßig an das öffentliche Wegenetz angebunden ist und
Versorgungs- und Entsorgungsleitungen für Elektrizität, Wasser und Abwasser verlegt
werden können (vgl. Söfker, in: Ernst Zinkahn-Bielenberg, BauGB § 30 Rdnr. 42).

Die Erschließung von Hinterliegergrundstücken, d. h. von Grundstücken, die nicht an eine
öffentliche Straße grenzen, ist nur dann gesichert, wenn auf einem
Verbindungsgrundstück eine Zuwegung zum öffentlichen Straßennetz vorhanden ist und
diese Verbindung rechtlich auf Dauer abgesichert ist. Die Absicherung kann öffentlichrechtlich durch eine Baulast erfolgen, sie kann aber auch sachenrechtlich durch
Eintragung einer Grunddienstbarkeit erreicht werden (BVerwG, U. v. 03.05.1988, a.a.O.;
B. v. 27.09.1990 - 4 B 34 und 35/90 - UPR 1991, S. 72).

Die Erschließung des vorhandenen
Wohngebäudes ist bei Ihnen nur im
Rahmen eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB gewährleistet. Nach dieser
Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks, dem die zur ordnungsgemäßen
Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, von dem Nachbarn
verlangen, dass er bis zur Hebung des Mangels die Benutzung seines Grundstücks zur
Herstellung der erforderlichen Verbindung duldet. Dass die Bewohner dieses genehmigt errichteten Wohngebäudes sich insoweit auf ein
Notwegerecht stützen können, kann nicht zweifelhaft sein; anderenfalls ließe sich das
Gebäude nicht mehr nutzen. Aufgrund der besonders gelagerten Verhältnisse Ihres vorliegenden Einzelfalls ist das Notwegerecht aber evtl. auch eine ausreichende Grundlage
für eine weitere - bauplanungsrechtlich im übrigen zulässige - Bebauung des
Grundstücks.

Die in § 917 Abs. 1 BGB begründete Duldungspflicht stellt für das
Verbindungsgrundstück eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung dar (Bassenge, in:
Palandt, BGB, 62. Aufl., § 917 Rdnr. 1). In der Rechtsprechung ist grundsätzlich geklärt,
dass sich über einen derartigen Notweg eine gesicherte Erschließung i. S. von § 30 Abs.
1 BauGB nicht herstellen lässt. Eine Baugenehmigung, die dem Nachbarn ein
Notwegerecht aufzwingt, greift in dessen durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes
Eigentumsrecht ein und verleiht ihm einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch. Der
Nachbar braucht die durch die Baugenehmigung bewirkte unmittelbare
Rechtsverschlechterung nicht hinzunehmen (BVerwG, U. v. 26.03.1976 - IV C 7/74 - NJW
1976, S. 1987 = BVerwGE 50, S. 282; U. v. 04.06.1996 - 4 C 15/95 - NVwZ RR 1997, S.
271; B. v. 11.05.1998 - 4 B 45/98 - NJW RR 1999, S. 165; ebenso BGH, U. v.
22.06.1990- V ZR 59/89 - NJW 1991, S. 176). Ein Hinterliegergrundstück lässt sich danach nicht
durch einen einseitigen Akt gegenüber dem Nachbarn, dessen Grundstück überwegt
werden soll, einer Bebauung zuführen. Grundsätzlich ist die Zustimmung des Nachbarn
erforderlich.

Allerdings können sich in dieser Hinsicht in besonders gelagerten Fällen unter dem
Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses Ausnahmen ergeben. Das
nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis stellt eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu
und Glauben (§ 242 BGB) für den besonderen Bereich des notwendigen
Zusammenlebens von Grundstücksnachbarn dar, aus dem eine Pflicht zur gegenseitigen
Rücksichtnahme entspringt (BGH, U. v. 31.01.2003 - V ZR 143/02 - m. w. N. in: juris;
Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., § 903 Rdnr. 13). Unter seinem Blickwinkel kann
auch ein Notwegerecht eine eigene, zusätzliche Rechtfertigung erlangen, die dazu führt,
dass eine erteilte Baugenehmigung die Eingriffsqualität für den Nachbarn verliert.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dies ausdrücklich für den Fall in Erwägung gezogen,
dass die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks nur unwesentlich ist (BVerwG, U. v.
26.03.1976, a.a.O.). In diesem Fall zeichnet das Notwegerecht lediglich die ohnehin
schon bestehenden nachbarlichen Pflichten nach. Die erteilte Baugenehmigung bewirkt
keine Rechtsverschlechterung des Nachbarn; ihr fehlt die Eingriffsqualität. In derartigen
besonders gelagerten Einzelfällen kann von einer gesicherten Erschließung i. S. von § 30
Abs. 1 BauGB ausgegangen werden.

Die Argumentation stammt aus einem Urteil. Interessant wäre die Vorgeschichte bis zur Bebauung. Ein Besuch im Archiv kann helfen.

Gruß

-webifant-
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Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.

- Abraham Lincoln -


: Das Notwegerecht ergibt sicht ggf. Kraft Gesetzes bzw. Kraft Urteil (siehe Satz 1). Von der Pflicht eine Dienstbarkeit einzutragen steht da nichts.

: Ich würde auf keinen Fall gegen meinen Willen der Eintragung einer Dienstbarkeit zustimmen.

: Im Übrigen wäre zu prüfen, ob nicht § 918 BGB erfüllt ist und daher ein Notwegerecht gerade nicht besteht.
: Der klassiche Fall, dass ein großes Grundstück von einem Eigentümer aufgeteilt und dann an verschiedene neue Eigentümer verkauft wurde, berechtigt den neuen Eigentümer eines Hinterliegergrundstückes gerade nicht, ein Notwegerecht über die Vorderlieger geltend zu machen (§ 918 BGB)

: Da man, bei solchen Dingen viel falsch machen kann, würde ich dringend eine Erstberatung bei einem Fachanwalt empfehlen.

: : hallo mondzicke,
: : Soweit es keine andere Möglichkeit gibt das Grundstück "in zweiter Reihe zu erreichen", steht dem Eigentümer ein entsprechendes Notwegerecht zu. Die Eigentümer des dienenden Grundstückes haben dann eine Duldungspflicht. An die betreffenden Eigentümer ist dann ein entsprechendes Verlangen zu richten.
: : siehe:
: : Bürgerliches Gesetzbuch
: : Buch 3 - Sachenrecht (§§ 854 - 1296)
: : Abschnitt 3 - Eigentum (§§ 903 - 1011)
: : Titel 1 - Inhalt des Eigentums (§§ 903 - 924)
: : § 917
: : Notweg.(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.
: : (2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
: : Natürlich erfährt Ihr Grundstück eine Wertminderung, dessen Höhe gleichfalls durch einen Sachverständigen festgestellt werden kann.
: : Die Geldrente ist alternativ durch eine Abstandszahlung zu ersetzbar...
: : Darüber hinaus wird im Regelfall auferlegt, dass die entstehenden Kosten des Notwegerecht auch vom „Begünstigten“ getragen werden müssen. Dies umfasst unter anderem den Unterhalt, sowie die erstmalige Herstellung.





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